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Schriftform, elektronische Form, DocuSign

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Schriftform, elektronische Form, DocuSign: In der Praxis verstehen das viele in dieser Reihenfolge als Steigerungsformen für die Einhaltung von gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten (Schrift-) Formerfordernissen. Ein solches Verständnis ist – auch im Arbeitsrecht – allerdings mit Tücken behaftet.

Gesetzliche Schriftform

§ 125 Satz 1 BGB enthält eine strenge Regelung: Ist von Gesetzes wegen die schriftliche Form vorgeschrieben und diese nicht gewahrt, führt dies zur Nichtigkeit der abgegebenen Erklärungen und/oder geschlossenen Vereinbarungen.

Wie wird die gesetzlich angeordnete Schriftform eingehalten? Der erste Schritt der Antwort darauf ist ganz einfach und ergibt sich durch einen Blick in § 126 Abs. 1 BGB, nämlich: durch „eigenhändige“ Unterschrift, also durch Unterzeichnung des betreffenden Dokuments mit dem Namen und mittels „wet ink“. Das ist vielen nun wieder zu einfach, manchmal aber auch zu kompliziert. Stifte und Papier scheinen manchmal auszugehen und vertragen sich auch nicht mit der Idealvorstellung von einem modernen „papierlosen Büro“.

Dem hat der Gesetzgeber mit § 126a BGB versucht Rechnung zu tragen. Nach dessen Abs. 1 i. V. m. § 126 Abs. 3 BGB kann bei Einverständnis beider Parteien die eigenhändige Namensunterschrift durch Hinzufügung des Namens und der „qualifizierten elektronischen Signatur“ ersetzt werden, wenn; ja, wenn das Gesetz für den Einzelfall nicht etwas anderes regelt. Solche anderweitigen Regelungen finden sich für das Arbeitsrecht z. B. in den §§ 623 und 630 BGB:

  • Gemäß § 623 BGB bedürfen die Kündigung und der Aufhebungsvertrag zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen. Eine qualifizierte elektronische Signatur und damit auch die Unterzeichnung z. B. mittels DocuSign wahren die gesetzliche Schriftform nicht und führten zur Nichtigkeit von Kündigung und/oder Aufhebungsvertrag gem. § 125 BGB.
  • Gleiches gilt gemäß § 630 BGB für die Verpflichtung zur Erteilung eines schriftlichen Zeugnisses, wenngleich die Nichtigkeitsfolge in diesem Fall nicht so gravierende Auswirkungen hat.

Anders ist es bei der Vereinbarung einer Befristung eines Arbeitsvertrages, die gem. § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform bedarf. Diese gesetzliche Schriftform kann durch die elektronische Form des § 126a BGB ersetzt werden, wenngleich dadurch der Nachweis in schriftlicher Form gem. § 2 Abs. 1 NachwG nicht geführt werden kann und sich deshalb zumindest die Nachholung der Befristungsabrede in klassisch schriftlicher Form mit „wet ink“ empfiehlt.

Bei Befristungsabreden können also qualifizierte Signierprogramme wie z.B. DocuSign zum Einsatz kommen, wenn der jeweilige Verwender über die entsprechende Lizenz zur Erzeugung der qualifizierten elektronischen Signatur verfügt und diese beim Signiervorgang selbst nutzt. Dies wird dann in einem Zertifikatsprotokoll auch festgehalten. Aber Vorsicht: Bei Verträgen wie der Befristungsabrede müssen beide Parteien diese Voraussetzungen erfüllen. Ansonsten droht die Nichtigkeitsfolge des § 125 Satz 1 BGB.

Vereinbarte Form

Nicht ganz so streng ist die Regelung des § 125 Satz 2 BGB: Die Nichteinhaltung einer zwischen den Parteien vereinbarten Schriftform hat lediglich „im Zweifel“ die Nichtigkeit zur Folge. Diese „Zweifel“ können leicht zerstreut werden, wie das Gesetz in § 127 BGB zeigt:

  • Gemäß § 127 Abs. 2 BGB genügt z. B. grundsätzlich eine sog. „telekommunikative Übermittlung“ einer vereinbarten Schriftform; so z. B. – ganz ältlich, und nur noch zu horrenden Preisen möglich – durch ein Telegramm, – auch von gestern – durch eine Telekopie/ein Telefax oder – etwas moderner – mittels E-Mail.
  • § 127 Abs. 3 BGB bestimmt ausdrücklich, dass zur Wahrung der vereinbarten elektronischen Form auch eine andere als die qualifizierte elektronische Signatur des § 126a Abs. 1 BGB, also auch eine einfachst hergestellte Signatur genügt.

Mit der vereinbarten Schriftform oder elektronischen Form lässt sich im papierlosen Büro also bestens leben. Vereinbaren die Parteien im Arbeitsvertrag, dass Änderungen des Vertrages der Schriftform oder elektronischen Form bedürfen, so kann dies grundsätzlich wirksam durch Telegramm- Telekopie- oder E-Mail-Wechsel geschehen. Eine Unterschrift ist jeweils natürlich erlaubt, aber nicht erforderlich. Gleiches gilt zur Wahrung der elektronischen Form für einfachst erzeugte Signatur-Bildchen, die einem Text auf einem Dokument beigefügt werden.

Die Form ist das eine, der nachfolgende Nachweis etwas anderes

Ist die gesetzliche Schriftform eingehalten, ist der spätere Nachweis ein Leichtes. Unterschriften lassen sich – notfalls durch einen Schriftgutachter – verifizieren, qualifizierte elektronische Signaturen durch das Zertifikatsprotokoll.

Bei der Wahrung der vereinbarten Schriftform oder elektronischen Form mittels E-Mail-Wechsel oder einfachster (Fern-) Signaturen kommt das böse Erwachen aber manchmal danach. Die Form ist gewahrt, aber von wem? Lässt sich der jeweilige Aussteller der per E-Mail versandten oder (fern-) signierten Erklärung identifizieren?

Dem Verfasser wurde von Behörden und Gerichten bisweilen entgegengehalten: Bei Fernsignaturen z. B. wird die „Unterschrift“ in Abwesenheit des jeweiligen Unterzeichners durch den Dienstleister vorgenommen, was zu Nachweiszwecken einer wirksamen Abgabe einer Erklärung den Gerichten nicht genügt. Da es sich bei einer solchen Fernsignatur eben nicht um eine qualifizierte elektronische Signatur handelt und damit das Dienstleistungsunternehmen, welche die Signatur für den „Unterzeichner“ vornimmt, faktisch signiert, ohne dass dabei die tatsächliche und rechtlich verbindliche Unterschriftsleistung des angegebenen Urhebers nachvollziehbar ist, bestehen bisweilen erhebliche Zweifel an der Rechtswirksamkeit und Urheberschaft der „Unterschrift“.

Fazit

DocuSign, elektronische Form, Schriftform scheint mir die richtige Reihenfolge der Steigerungs-Trias zu sein. Wenn es auch immer nur geht, ist zur Wahrung eines Formerfordernisses zu raten: Greifen Sie bitte zu Stift und Papier und unterzeichnen Sie bitte mit Ihrem Namen und mit „wet ink“.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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