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Alles was zählt: die letzten zehn Jahre

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Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung zur Quotierung der Betriebsrente für Teilzeitbeschäftigte bei sogenannten „endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen“ bestätigt (Urteil vom 20. Juni 2023 – 3 AZR 221/22). Bei Teilzeitbeschäftigten darf danach der durchschnittliche Beschäftigungsgrad der letzten zehn Jahre zugrunde gelegt werden.

Betrachtet man die Versorgungslandschaft in deutschen Unternehmen, sind immer noch sogenannte endgehaltsbezogene Zusagen weit verbreitet. Bei diesen „Klassikern“ der betrieblichen Altersversorgung hängt die Höhe der späteren Rente maßgeblich von den Einkommensverhältnissen des Versorgungsberechtigten bei Eintritt des Leistungsfalls (bzw. zum Zeitpunkt eines vorzeitigen Ausscheidens) ab. Für den Fall, dass ein Mitarbeiter während seiner Dienstzeit durchgehend oder zumindest zeitweise in Teilzeit beschäftigt war, sehen die entsprechenden Versorgungsordnungen typischerweise spezielle Berechnungsregelungen vor.

Häufig wird dabei der durchschnittliche Beschäftigungsgrad während eines bestimmten Referenzzeitraums berücksichtigt. Zum Streit zwischen Arbeitgebern und Teilzeitbeschäftigten kommt es regelmäßig dann, wenn der Referenzzeitraum relativ kurz bemessen ist und dadurch womöglich eine frühere langjährige Vollzeittätigkeit bei der Berechnung außen vor bleibt.

Ausgangspunkt: Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG

Sieht eine Versorgungsregelung besondere Berechnungsmodalitäten für Teilzeitbeschäftigte vor, muss sie sich am Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG messen lassen. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG dürfen Teilzeitarbeitnehmer nicht schlechter als vergleichbare Vollzeitarbeitnehmer behandelt werden, es sei denn, die Ungleichbehandlung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Soweit es um Arbeitsentgelt oder sonstige geldwerte Leistungen geht, verlangt das Gesetz, dass diese Leistungen einem Teilzeitbeschäftigten mindestens in dem Umfang zu gewähren sind, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht, vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG. Nach diesem sogenannten Pro-rata-temporis-Grundsatz ist der Arbeitgeber somit grundsätzlich berechtigt, geldwerte Leistungen bei Teilzeitmitarbeitern proportional zu kürzen. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung insbesondere auch für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. So weit, so gut.

Doch wie ist dieser Pro-rata-temporis-Grundsatz bei der Berechnung der Betriebsrente konkret zu berücksichtigen? Das BAG hat schon in früheren Entscheidungen festgestellt, dass nicht nur die Quotierung des Beschäftigungsgrades über die gesamte Beschäftigungsdauer in Betracht kommt. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Leistungszwecks kann für die Ermittlung des durchschnittlichen Beschäftigungsgrades auch ein kürzerer Referenzzeitraum herangezogen werden. In älteren Entscheidungen hatte das BAG bereits einen Zeitraum von zehn Jahren, vereinzelt sogar einen Referenzzeitraum von lediglich fünf Jahren, als zulässig erachtet. Mit seinem aktuellen Urteil hat das BAG nunmehr bestätigt, dass bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen für die Ermittlung des durchschnittlichen Beschäftigungsumfangs jedenfalls auf einen Zeitraum von zehn Jahren abgestellt werden darf.

Worum ging es?

In dem vom BAG entschiedenen Fall (Pressemitteilung des BAG) stritten die Parteien um die Berechnung der Betriebsrente der Klägerin. Diese war seit 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt gewesen. Nachdem sie zunächst knapp 21 Jahre in Vollzeit gearbeitet hatte, reduzierte sie im Jahr 2005 ihre Arbeitszeit und war bis zu ihrem Ausscheiden im Jahr 2020 in Teilzeit tätig.

Die Beklagte gewährte ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe einer Betriebsvereinbarung. Hierbei handelte es sich um eine endgehaltsbezogene Versorgungszusage. Die Höhe der zugesagten Altersrente errechnete sich nach der Formel „Festrentenbetrag x Dienstjahre“. Der individuelle Festrentenbetrag hing dabei maßgeblich vom rentenfähigen Einkommen ab. Dieses war in der Versorgungsordnung definiert als ein Zwölftel des berücksichtigungsfähigen Einkommens, das der Mitarbeiter im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalls bzw. vor dem vorzeitigen Ausscheiden bezogen hatte.

Für den Fall, dass ein Mitarbeiter innerhalb der letzten zehn anrechnungsfähigen Dienstjahre ganz oder teilweise in Teilzeit beschäftigt war, sah die Versorgungsordnung eine Modifizierung vor: Der Festrentenbetrag wurde quotiert in dem Verhältnis, in dem die durchschnittliche Arbeitszeit des Mitarbeiters während der letzten zehn Dienstjahre zu seiner Arbeitszeit innerhalb des letzten Kalenderjahres vor dem Eintritt des Versorgungsfalls bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden gestanden hatte.

Die Beklagte teilte der Klägerin nach ihrem Ausscheiden mit, dass sie ihre Betriebsrente nach Maßgabe dieser Regelungen berechnen werde. Die Klägerin machte geltend, bei der Quotierung des Festrentenbetrages müsse die gesamte Beschäftigungszeit berücksichtigt werden. Die in der Versorgungsordnung vorgesehene Beschränkung des Referenzzeitraums auf die letzten zehn Beschäftigungsjahre verstoße gegen den Pro-rata-temporis-Grundsatz und führe zu einer unzulässigen Benachteiligung wegen der Teilzeitbeschäftigung. Aufgrund der streitigen Regelung erhalte sie letztlich eine geringere Betriebsrente, als wenn sie 2005 nicht in Teilzeit weitergearbeitet, sondern gänzlich aus dem Unternehmen ausgeschieden wäre. Da die Mehrzahl der Teilzeitbeschäftigten Frauen seien, führe die Regelung auch zu einer unzulässigen Benachteiligung wegen des Geschlechts.

BAG bestätigt Zehn-Jahres-Referenzzeitraum

Die Klägerin blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Bereits das LAG München (Urteil vom 17. März 2022 – 7 Sa 588/21) war davon ausgegangen, dass die in der Versorgungsordnung vorgesehene Quotierungsregelung den Pro-rata-temporis-Grundsatz wahre. Das LAG hatte daher sowohl eine Benachteiligung aufgrund der Teilzeittätigkeit als auch wegen des Geschlechts abgelehnt.

Auch die Erfurter Richter gingen im Revisionsverfahren davon aus, dass es bei einer endgehaltsbezogenen Versorgung zur Wahrung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes genüge, wenn für die Leistungsquotierung der Beschäftigungsgrad der letzten zehn Jahre zugrunde gelegt wird. Ebenso wie das LAG stellte dabei auch das BAG ausweislich der veröffentlichten Pressemitteilung maßgeblich auf den Leistungszweck einer endgehaltsbezogenen Betriebsrente ab. Dieser bestehe darin, den zuletzt im Erwerbsleben erarbeiteten Lebensstandard auch im Ruhestand zu erhalten. Bereits in einer früheren Entscheidung war das BAG davon ausgegangen, dass es sich bei den letzten zehn Jahren des Arbeitsverhältnisses um einen repräsentativen Zeitraum handele, in dem sich der durch den Arbeitsverdienst geprägte Lebensstandard verfestige (Urteil vom 17. April 2012 – 3 AZR 280/10). Diese Rechtsprechung bestätigt der dritte Senat mit seiner aktuellen Entscheidung.

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Mit seinem Urteil führt das BAG konsequent seine ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit der zeitanteiligen Berechnung von Versorgungsleistungen für Teilzeitmitarbeiter fort. Die Erfurter Richter geben der Praxis insbesondere einen verlässlichen Rahmen für die Berücksichtigung einer Teilzeitbeschäftigung bei der Ausgestaltung von endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen an die Hand. Ob sich Unternehmen dabei auf die Mindestanforderungen des BAG beschränken oder zugunsten der (immer noch überwiegend weiblichen) Teilzeitbeschäftigten günstigere Quotierungsregelungen wählen, ist damit zukünftig weniger eine rechtliche, als eine unternehmenspolitische Entscheidung.

Christina Hartmann

Rechts­an­wäl­tin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Christina Hartmann berät Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der laufenden arbeitsrechtlichen Dauerberatung und der Vertretung in Kündigungsschutzstreitigkeiten unterstützt sie Unternehmen insbesondere bei Fragen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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