Augen auf bei der Anpassung der Vergütungsstrukturen nach einem Betriebsübergang! Welche ungewollten (und mitunter teuren) Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung sich hierdurch ergeben können, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BAG.
Im Zuge von Betriebsübergängen steht das Erwerberunternehmen häufig vor der Herausforderung, die Vergütung der vom Veräußerer übernommenen Arbeitnehmer in die eigenen Entgeltstrukturen zu integrieren. Hierbei lassen sich meist pragmatische Lösungen finden. Beim vorherigen Arbeitgeber gewährte Zulagen, Einmal- oder Sonderzahlungen, die es in dieser Form beim Erwerber nicht gibt, werden beispielsweise im Einvernehmen mit den betroffenen Arbeitnehmern dem laufenden Grundgehalt zugeschlagen. So weit so gut. Was bei derartigen Anpassungen der Vergütungsstruktur jedoch mitunter übersehen wird, sind die möglichen Auswirkungen auf die ebenfalls übernommenen Versorgungsverpflichtungen. Denn insbesondere dann, wenn es sich um endgehaltsbezogene Versorgungszusagen handelt, kann eine solche Anpassung der Vergütungsstruktur das Unternehmen teuer zu stehen kommen, wie ein jüngst vom BAG entschiedener Fall zeigt (BAG Urteil v. 9. Mai 2023 – 3 AZR 174/22).
Worum ging es?
In dem Verfahren stritten die Parteien um die Bemessungsgrundlagen für die betriebliche Altersversorgung des Klägers nach einem Betriebsübergang. Der ursprüngliche Arbeitgeber des Klägers hatte ihm eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erteilt. Grundlage für die Berechnung der Versorgungsleistungen war das zuletzt bezogene Bruttomonatsgehalt (endgehaltsabhängige Versorgungszusage).
Anfänglich hatte der Kläger neben seinem monatlichen Grundgehalt einen zusätzlichen jährlichen Bonus erhalten. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses wurde dieser Bonus in einen laufenden festen Vergütungsbestandteil umgewandelt. Dabei einigten sich der Kläger und sein ursprünglicher Arbeitgeber jedoch darauf, dass für die betriebliche Altersversorgung als sogenanntes „Schattengehalt“ allein das jeweilige Monatsgehalt ohne den eingerechneten Bonusanteil berücksichtigt werden sollte.
In der Folgezeit ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Beklagte über. Um die Vergütung der übernommenen Mitarbeiter an die bei ihr bestehenden Entgeltstrukturen anzupassen, schloss die Beklagte mit den betroffenen Arbeitnehmern jeweils neue Arbeitsverträge, in denen insbesondere ein neues Bruttomonatsgehalt vereinbart wurde. Im Falle des Klägers legte sie diesem Gehalt ein Bruttojahreseinkommen unter Einbeziehung des umgewandelten Bonus zugrunde. Hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung sah der neue Vertrag die unveränderte Fortführung der vom Veräußerer erteilten Versorgungszusage vor. Konkrete Regelungen dazu, in welchem Umfang das neu vereinbarte Bruttomonatsgehalt bei der Leistungsbemessung berücksichtigt werden sollte, gab es nicht. Im Übrigen wurden sämtliche bisherigen individuellen Vertragsbedingungen durch den neuen Vertrag vollständig ersetzt.
Der Kläger schied mehrere Jahre später bei der Beklagten aus und bezog sodann seine Betriebsrente. Bei deren Berechnung legte die Beklagte allerdings nicht das volle zuletzt vom Kläger bezogene Bruttomonatsgehalt zugrunde. Vielmehr setzte sie dieses ins Verhältnis zu dem (niedrigeren) „Schattengehalt“, das beim Veräußerer vor dem Betriebsübergang die maßgebliche Bemessungsgrundlage für die Versorgungsleistungen bilden sollte. Das von ihr gewährte letzte Monatsgehalt kürzte sie um den entsprechenden Faktor. Der Kläger verlangte die Berechnung seiner Rente auf Grundlage des ungekürzten letzten Bruttomonatsgehalts
Im Berufungsverfahren wurde der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Klare Absage aus Erfurt
Nach Ansicht des BAG berechtigte weder der Betriebsübergang noch die im Zusammenhang damit erfolgte Anpassung der Vergütungsstruktur die Beklagte zu der vorgenommenen Kürzung. Dabei stellten die Erfurter Richter zunächst klar, dass eine endgehaltsbezogene Versorgungszusage im Falle eines Betriebsübergangs grundsätzlich nicht auf den Stand zum Übergangszeitpunkt „eingefroren“ werde und damit etwaige zukünftige Gehaltssteigerungen unberücksichtigt blieben. Denn infolge des Betriebsübergangs gehe mit dem Arbeitsverhältnis nicht lediglich ein bestimmter Besitzstand der Versorgung über. Vielmehr trete der Erwerber in die bestehende Versorgungszusage ein und habe diese unverändert fortzuführen.
Die Beklagte konnte die von ihr vorgenommene Kürzung letztlich weder auf die übernommene ursprüngliche Versorgungszusage noch auf spätere vertragliche Abreden stützen. Im Rahmen der Auslegung der entsprechenden Regelungen rückte das BAG vor allem die Besonderheiten einer endgehaltsbezogenen Versorgungszusage in den Fokus. Eine solche verfolge üblicherweise den Zweck, den Versorgungsbedarf am Ende des Arbeitsverhältnisses abzubilden und den erreichten Lebensstandard, der maßgeblich durch das Endgehaltsniveau geprägt ist, zu wahren. Der Versorgungsberechtigte kann daher nach Auffassung der Erfurter Richter auf die Leistungsbemessung auf Grundlage seines zuletzt bezogenen Gehalts vertrauen. Möchte der Arbeitgeber den Bemessungsfaktor „Endgehalt“ modifizieren und – wie die Beklagte – nur Teile dessen für die Leistungsbemessung berücksichtigen, muss er dies daher deutlich in den entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck bringen. Insbesondere dem zwischen den Parteien geschlossenen neuen Arbeitsvertrag ließ sich ein solcher Vorbehalt indes nicht entnehmen. Für eine ergänzende Vertragsauslegung oder eine Anpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage sah das BAG keinen Raum, sodass der Kläger mit seiner Klage auch in der dritten Instanz Erfolg hatte.
Fazit
Die im Ergebnis kaum überraschende Entscheidung des BAG zeigt in aller Deutlichkeit: Möchte der Erwerber die Vertragsbedingungen der übernommenen Arbeitnehmer an die bei ihm bestehenden Strukturen anpassen, ist eine ganzheitliche Betrachtung der geplanten Maßnahme geboten. Insbesondere bei der Anpassung der Vergütungsstrukturen lohnt sich im Vorfeld stets ein Blick in die geltenden Versorgungsordnungen, damit die geänderten Vertragsbedingungen nicht mittelbar zu einer ungewollten Erhöhung der Versorgungsverpflichtungen führen.