Einmal Skifahren und anschließend über ein Jahr krankgeschrieben. Der Fall Manuel Neuer dürfte nicht nur für den FC Bayern ein Albtraum (gewesen) sein. Nicht selten sehen sich Arbeitgeber mit langen Krankschreibungen nach Sportunfällen konfrontiert – und zwar nicht nur im Leistungssport. Unfälle beim Hobbysport passieren tagtäglich und betreffen im Regelfall den außerdienstlichen Bereich des Arbeitnehmers. Was Arbeitgeber bei sportbegeisterten Arbeitnehmern im Auge behalten sollten und was es bei Sportunfällen im Allgemeinen zu beachten gilt, soll der folgende Blogbeitrag aufzeigen.
Verbot von Hochrisikosportarten im Arbeitsvertrag?
Skifahren ist verboten!? – In manchen Arbeitsverträgen stolpert man über Klauseln, die gewisse Sportarten oder sonstige Freizeitaktivitäten untersagen. Insbesondere bei Profi-Sportlern ist das Interesse des Arbeitgebers an dem Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers besonders hoch.
Dabei sind Sportverbotsklauseln extrem umstritten – auch im Profisport –, da sie einen schweren Eingriff in die persönliche Lebensführung bedeuten können. Bei solchen Klauseln handelt es sich grundsätzlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer strengen Wirksamkeitskontrolle zu unterziehen sind.
Die allermeisten Klauseln, insbesondere wenn sie gegenüber „normalen“ Arbeitnehmern verwendet werden, dürften eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers bedeuten und daher gegenstandslos sein. Bei Profi-Sportlern und ggf. besonderen Arbeitnehmergruppen kann hingegen eine Sportverbotsklausel wirksam sein, wenn sie das Interesse des Arbeitgebers am Erhalt der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers sowie das Interesse des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit angemessen in einen Ausgleich bringt. Vorgeschlagen werden daher z.B. zeitweise Verbote von Hochrisikosportarten z.B. während des Saisonendspurts, einer wichtigen Qualifikationsphase oder während eines wichtigen Geschäftsquartals.
Sonderurlaub für die Teilnahme an Sportereignissen?
Dass Verbote im Arbeitsverhältnis häufig kontraproduktiv sind, ist bekannt. Viele Arbeitgeber wollen deshalb die sportlichen Aktivitäten ihrer Arbeitnehmer auch gar nicht einschränken, sondern freuen sich über diese besonderen Leistungsträger. Nicht selten wollen sie Ausnahmesportler auch zusätzlich unterstützen. (Private) Arbeitgeber können sich dabei z.B. an den Regeln im Bundesbeamtenrecht orientieren. Bundesbeamte können gem. § 17 SUrlV Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung erhalten, wenn sie z.B. als aktive Sportler an den Olympischen Spielen teilnehmen. Auch Freistellungen für Trainingscamps oder besondere Arbeitszeit(-konten)modelle sind denkbar, um spezielle Trainings- und Wettkampfphasen zu ermöglichen.
Entgeltfortzahlung bei Sportverletzung?
Wenn das Fußballspiel am Wochenende mit einem Beinbruch endet und dies zur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit führt, kann sich die Frage stellen, ob der Arbeitgeber in diesem Fall Entgeltfortzahlung leisten muss.
Grundsätzlich gilt: Erkranken Arbeitnehmer, ohne dass sie ein Verschulden trifft, haben Arbeitgeber im Falle ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zu 6 Wochen Entgeltsfortzahlung zu leisten (§ 3 Abs. 1 EFZG). Dies ist auch Ausfluss des Sozialstaatsprinzips. Im Regelfall gibt es selten Anlass die Entgeltfortzahlung zu hinterfragen. Sportbedingte Verletzungen und eine hieraus resultierende Arbeitsunfähigkeit können die Ausnahme darstellen.
Auch sportbedingte Verletzungen können eine Entgeltsfortzahlung auslösende Erkrankung darstellen. Doch bei Sportverletzungen muss im Einzelfall genauer geschaut werden. Denn bei ihnen kann im Einzelfall auch mal ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegen, sodass eine Entgeltfortzahlung entfällt.
Die Rechtsprechung geht von einem Verschulden (gegen sich selbst) aus, wenn der Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstoßen hat.
Doch wann ist dies der Fall? Gehören der unglücklich endende, aber an sich korrekt durchgeführte Fallschirmsprung oder die zur eigenen Verletzung führende Blutgrätsche im Fußball dazu?
Das Fallschirmsprung-Beispiel knüpft an die abstrakte Gefährlichkeit der Sportart selbst an. Die Rechtsprechung erläutert, dass gefährliche Sportarten grundsätzlich geeignet sind, den Verschuldensvorwurf zu erfüllen. Gefährliche Sportarten sollen nach der Rechtsprechung vorliegen, wenn das Verletzungsrisiko bei objektiver Betrachtung so groß ist, dass auch ein gut ausgebildeter Sportler bei sorgfältiger Beachtung aller Regeln, dieses Risiko nicht abwenden kann. In einem solchen Fall beherrscht er das sportliche Geschehen nicht mehr, sondern setzt sich unbeherrschbaren Gefahren aus und nimmt damit ein hohes Verletzungsrisiko auf sich. Bisher hat soweit ersichtlich nur das Arbeitsgericht Hagen im Jahr 1989 das Kick-Boxen als gefährliche Sportart eingeordnet. Weitere Rechtsprechung zu diesem Thema stellen wir im Video-Blogbeitrag hier vor. Fallschirmspringen dürfte daher vorerst nicht zu den offiziell gefährlichen Sportarten des Arbeitsrechts gehören.
Das Fußballspiel-Beispiel knüpft an konkret gefährliche Verhaltensweisen innerhalb einer grundsätzlich ungefährlichen Sportart an. Hier gilt: Verstößt der Arbeitnehmer in grob- und leichtsinnigerweise gegen anerkannte Regeln einer jeweiligen Sportart oder betätigt er sich in einer Weise, die seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigt, ist von einem Verschulden gegen sich selbst und einem Ausschluss des Entgeltfortzahlungsanspruchs auszugehen. Es ist somit durchaus möglich, dass schwere Verstöße gegen das Regelwerk der jeweiligen Sportart (z.B. beim Fußball gegen die Regeln des DFB) und dabei selbst erlittene Verletzungen zu einem Anspruchsausschluss führen können. Dies gilt insbesondere, wenn bei eigenem Verhalten gegenüber Dritten sogar die Schwelle zu Schadensersatzansprüchen oder strafrechtlichen Körperverletzungsdelikten überschritten ist.
Problematisch auf Arbeitgeberseite ist stets, wie der Nachweis des Verschuldens des Arbeitnehmers geführt werden kann, wenn dem Arbeitgeber im Regelfall nur eine (elektronische) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wird. Die Darlegungs- und Beweislast für das Selbstverschulden des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass den Arbeitnehmer eine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Umstände trifft. Der Arbeitgeber muss zunächst Tatsachen vortragen, aus denen sich ein Verschulden des Arbeitnehmers ergibt. Soweit der Arbeitgeber keine Detailkenntnisse über die Verletzung(-sgründe) des Arbeitnehmers hat, ist der Arbeitnehmer zur Aufklärung verpflichtet. Andernfalls kann bei entsprechenden arbeitgeberseitigen Aufklärungsbemühungen im Regelfall davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers selbstverschuldet ist.
Betriebssport – Wer trägt das Verletzungsrisiko?
Viele Arbeitgeber stellen Arbeitnehmerteams bei sog. Firmenläufen oder Mannschaftswettbewerben auf. Verletzen sich Arbeitnehmer dann bei einem solchen Lauf, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um einen Arbeitsunfall handelt und damit die gesetzliche Unfallversicherung für den Schadensfall eintritt.
Die Eintrittspflicht der gesetzlichen richtet sich nach § 8 SGB VII und setzt einen sog. Arbeitsunfall voraus. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn ein innerer Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung vorliegt.
Dieser Zusammenhang kann auch beim regelmäßigen Betriebssport oder bei sporadischen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen bestehen. Steht nicht der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund, sondern vielmehr die Idee, durch eine (regelmäßige) Sportveranstaltung einen Ausgleich zu beruflichen Belastungen herbeizuführen, kommt ein Versicherungsschutz in Betracht.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat am 21.3.2023 (L 3 66/21) für die beliebten Firmenläufe entschieden, dass im Falle der freiwilligen Teilnahme von Arbeitnehmern an einem Firmenlauf kein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII gegeben sei. Dies gelte auch wenn der Arbeitgeber den Firmenlauf bewirbt oder unterstützt. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung haben wir hier bereits für Sie zusammengefasst.
Auch für unternehmensinterne Fußballturniere hat die Rechtsprechung festgestellt, dass ein Arbeitsunfall regelmäßig nicht vorliege, wenn diesem nach einer Gesamtwürdigung der Umstände kein „verbindliches Programm“ zugrunde liegt und nicht die Stärkung des betrieblichen „Wir-Gefühls“ im Vordergrund steht, sondern vielmehr der Freizeit- und Unterhaltungswert der Veranstaltung den Kern bildet (BSG Urt. V. 28.6.2022 – B 2 U 8/20 R).