Die krankheitsbedingte Kündigung ist der Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung. Unterschieden wird im Kern zwischen häufigen Kurzerkrankungen, Langzeiterkrankung und dauernder Arbeitsunfähigkeit. Selbst eine nahezu „wasserdichte“ krankheitsbedingte Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit kann am Inhalt einer nachlässig erstellten Betriebsratsanhörung scheitern.
Dreistufige Wirksamkeitsprüfung und Darlegungslast
Die soziale Rechtfertigung krankheitsbedingter Kündigungen ist in drei Stufen zu prüfen. Es geht darum, ob (1.) eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, (2.) eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gegeben ist und (3.) eine abschließende Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ausfällt. Im Prozess muss der Arbeitgeber auch die zu erwartenden erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen auf der zweiten Prüfungsstufe konkret darlegen. In der Regel keiner besonderen Darlegung bedarf es allerdings bei feststehender krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit. Dasselbe gilt, wenn die Dauer der Leistungsunfähigkeit nicht sicher festgestellt werden kann, wenn sich die negative Prognose aber auf mindestens 24 Monate erstreckt. Denn der Grund für die krankheitsbedingte Kündigung bei lang andauernder Erkrankung liegt letztlich in der unzumutbaren dauerhaften Störung des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses.
Mitteilung der „Gründe für die Kündigung“
In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung der Betriebsratsanhörung nicht zu unterschätzen. Zwar muss sich der Arbeitgeber in der Anhörung nicht zwingend auf eine der bekannten Fallgruppe (Häufige Kurzerkrankung, Langzeiterkrankung, Dauernde Arbeitsunfähigkeit) begrifflich festlegen. Da sich die Wirksamkeitsanforderungen aber unterscheiden, muss die Anhörung zumindest erkennen lassen, auf welche Fallgruppe(n) die Kündigung (ggf. hilfsweise) gestützt wird. Erfolgt beispielsweise die Anhörung nur zur Kündigung wegen einer Langzeiterkrankung kann im Rechtsstreit nicht mehr auf eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen „umgeswitcht“ werden.
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht
Eine aktuelle Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 10.01.2024 – 3 Sa 74/23) verdeutlicht, dass sich „mit heißer Nadel gestrickte“ Betriebsratsanhörungen schnell als Bumerang erweisen können. In der Betriebsratsanhörung hieß es wörtlich:
„26 Tage im Oktober 2021 krank; seit 22.11.2021 langzeitkrank bis einschließlich 15.11.2022, weiter krank nach Reha-Maßnahme im Oktober 2022. Die vorliegenden Fehlzeiten rechtfertigen die Besorgnis, dass auch zukünftig nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. (…) Durch den langfristigen Ausfall von Frau H… sind erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen entstanden. Dieses Modell funktioniert so nicht mehr. Die Mehrarbeit ist nicht mehr zumutbar.“
Mit einer Rückkehr der Mitarbeiterin war nicht mehr, zumindest nicht in den nächsten zwei Jahren, zu rechnen. Allerdings führte die Arbeitgeberin diesen leicht darzulegenden Umstand gegenüber dem Betriebsrat nicht als erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (sondern nur zur Begründung der Negativprognose) an. Die Beeinträchtigung stützte sie vielmehr konkret auf eine Mehrbelastung von Mitarbeitern und eine dauerhafte Doppelbesetzung der Stelle. Das erwies sich als klassisches Eigentor; ihr Prozessvortrag reichte hierfür nicht. Und gebunden an den Inhalt der Betriebsratsanhörung konnte sich die Arbeitgeberin im Rechtsstreit zur Begründung der Interessenbeeinträchtigung nicht mehr darauf berufen, dass mit einer Genesung der Klägerin in den nächsten 24 Monaten ab Zugang der Kündigung nicht gerechnet werden könne. Hierzu fand das LAG Schleswig-Holstein ungewöhnlich deutliche Worte:
„Dass die Berücksichtigung des Umstands nach anwaltlicher Beratung im Nachhinein sinnvoll gewesen wäre, lässt sich nach Ausspruch der Kündigung aber nicht mehr ändern. Es würde sich um eine neue Kündigungsentscheidung handeln, die auf einem anderen Sachverhalt basierte und eine neue Betriebsratsanhörung erforderte.“
Fazit
Selbst wenn die Fehlzeiten einer dauernden Arbeitsunfähigkeit bereits die erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen „indizieren“, sollte in der Praxis bei der Ausarbeitung der Betriebsratsanhörung nicht „geschludert“ werden. Arbeitgeber müssen sich das Leben an dieser Stelle nicht unnötig schwer machen. Manchmal ist weniger mehr. Wenn der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann und das Austauschverhältnis daher dauerhaft gestört ist, so ist die sich daraus zwangsläufig ergebende Interessensbeeinträchtigung dem Betriebsrat mitzuteilen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.