Die Wirksamkeit von Kündigungen während der Wartezeit ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Zuletzt hatte sich das ArbG Köln in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2023 mit einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers während der Wartezeit auseinandergesetzt, welcher einen Verstoß gegen das gesetzliche Diskriminierungsverbot des SGB IX rügte. Hieran anknüpfend, zeigen wir nachfolgend, was es bei Kündigungen während der Wartezeit im Allgemeinen zu beachten gilt.
Was gilt es bei Kündigungen in der Wartezeit grundsätzlich zu beachten?
- Für den Beginn der Wartezeit ist nicht der Abschluss des Arbeitsvertrags, sondern die tatsächliche Arbeitsaufnahme maßgebend.
- Ausspruch der Kündigung ohne Begründung möglich: Da das Kündigungsschutzgesetz gem. § 1 Abs. 1 KSchG erst Anwendung findet, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat (sog. Wartezeit), kann der Arbeitgeber auch ohne soziale Rechtfertigung, d.h. ohne einen der gesetzlich normierten Kündigungsgründe (personen-, verhalten- oder betriebsbedingt) kündigen.
- Auch während der Wartezeit sind Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt, sondern genießen einen gewissen „Mindestschutz“. Die Kündigung darf daher weder sittenwidrig noch willkürlich sein. Hierbei sind insbesondere die Diskriminierungsvorschriften des AGG, sowie den Schutzbestimmungen für bestimmte Personenkreise, wie beispielsweise des SGB IX zu beachten.
- Wurde zwischen den Vertragsparteien zudem eine Probezeit vereinbart, gilt eine verkürzte Kündigungsfrist: Der Arbeitgeber darf während der Probezeit gemäß § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von zwei Wochen kündigen. Die Dauer der Probezeit richtet sich grundsätzlich nach der getroffenen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zur Dauer der Probezeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis siehe hierzu unseren Blog-Beitrag vom 26. März 2024.
- Sofern ein Betriebsrat besteht, ist dieser gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG auch vor Ausspruch der Kündigung in der Wartezeit anzuhören.
- Maßgeblich für die Wirksamkeit einer Kündigung ist regelmäßig, dass die Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer auch innerhalb der Wartezeit (d.h. spätestens am letzten Tag) zugeht.
Kurswechsel des ArbG Köln: Durchführung von Präventionsverfahren innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG
Das ArbG Köln gab in seiner aktuellen Entscheidung einer Kündigungsschutzklage mit der Begründung statt, dass die Kündigung gegen ein gesetzliches Diskriminierungsverbot verstoße und daher unwirksam sei. Eine verbotene Diskriminierung schwerbehinderter Arbeitnehmer sei indiziert, wenn der Arbeitgeber gegen seine Verpflichtung zur Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX verstößt. Hierzu sei der Arbeitgeber nach Auffassung des ArbG Köln bereits während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG verpflichtet.
Die Kammer beruft sich in ihren Entscheidungsgründen insbesondere auf unionsrechtliche Vorgaben und weicht mit dieser Entscheidung eindeutig von der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 21. April 2016 – 8 AZR 402/14) ab. Das BAG hatte die Verpflichtung zur Durchführung eines Präventionsverfahren innerhalb der Wartezeit bislang mit der Begründung verneint, dass die Vorschrift terminologisch mit den Begriffen „personen- verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten“ an die Kündigungsgründe des KSchG anknüpft, auf die es in der Wartezeit gerade nicht ankommt.
Praktische Hinweise zur Entscheidung des ArbG Köln
Die Rechtsprechung des BAG ist unseres Erachtens weiterhin überzeugend. Gegen die Verpflichtung zur Durchführung eins Präventionsverfahrens gem. § 167 Abs. 1 SGB IX spricht neben den angeführten Argumenten auch der Gleichlauf mit dem in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelten betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM), für dessen Durchführung in der Wartezeit ebenfalls keine Verpflichtung besteht. Zum anderen erscheint es jedoch auch aus praktischen Gesichtspunkten schlicht unrealistisch, ein Präventionsverfahren innerhalb der Wartefrist ordnungsgemäß durchzuführen und abzuschließen.
Nicht auszuschließen ist, dass es im weiteren Verlauf zu einer Vorlage an den EuGH und Rechtsprechungsänderung kommt. Wer daher auf Nummer sicher gehen will, sollte bei schwerbehinderten Arbeitnehmern, bei denen sich bereits in der Wartezeit personen- verhaltens- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis abzeichnen, vorsorglich ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX einleiten.