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EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte bringt „versteckte“ arbeitsrechtliche Sorgfaltspflichten

Am 30. Juni 2023 trat die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten, die EU Deforestation Regulation (im Folgenden „EUDR“) in Kraft. Anders als der Name vielleicht vermuten lässt, ergeben sich aus dieser Regelung nicht nur umweltbezogene, sondern auch arbeitsrechtliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Insbesondere dann, wenn Sie in den Branchen Herstellung und Handel mit (bestimmten) Lebensmitteln oder Holz- und Papierprodukten, als Automobilzulieferer oder Hersteller technischer Bauteile aktiv sind, sollten Sie also daraus folgende Handlungsnotwendigkeiten prüfen.

Der Begriff der „Entwaldung“ meint die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftlich genutzte Flächen als einen der Treiber des Klimawandels, unabhängig davon, ob sie vom Menschen herbeigeführt wird oder nicht. Der Begriff ist damit weiter gefasst als die Begriffe „Abholzung“ oder Rodung“.

Die EUDR im Porträt

Die EUDR betrifft den Handel mit bestimmten Rohstoffen und Erzeugnissen (nachfolgend „Produkte“), deren Verbrauch in besonderer Weise das Risiko fortschreitender Entwaldung und Waldschädigung fördert. Ziel der EUDR ist es, den Beitrag der Union zu diesen Entwicklungen global zu minimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen besondere Sorgfaltspflichten für betroffene Unternehmen sicherstellen: Produkte, die auf den EU-Binnenmarkt gelangen, dürfen nicht mit Entwaldung und Waldschädigung sowie einer damit möglicherweise einhergehenden Verletzung von Rechten indigener Völker in Verbindung stehen.

1. Geltung

Die EU-Verordnung findet nach einer Übergangszeit von 18 Monaten ab dem 30. Dezember 2024 Anwendung auf Nicht-KMU ab dem 30. Juni 2025 auch für KMU.

2. Betroffene Produktgruppen

Die EUDR betrifft die Rohstoffe, deren Verbrauch in der EU für die weltweite Entwaldung und Waldschädigung am relevantesten ist (maßgeblich: Ölpalme, Soja, Holz, Kakao, Kaffee, Rinder und Kautschuk) sowie den Handel mit Produkten, die diese Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden. Auch Hersteller und Händler von Glycerin, (Tierfutter-)Mehl aus der Sojapflanze, Möbeln, Papierprodukten, Schokolade, Röstkaffee, Lederwaren aus Rinderhaut sowie Reifen und Dichtungen müssen sich also mit dem Thema beschäftigen.

3. Voraussetzungen für Handel in der EU mit diesen Produkten

Relevante Produkte dürfen nur dann in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden, wenn sie (kumulativ)

  • „entwaldungsfrei“ sind
  • gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und
  • eine Sorgfaltserklärung für sie vorliegt.
4. Inhalt der Sorgfaltspflichten – insbesondere (auch) arbeitsrechtlicher Art

Unternehmen, die diese Produkte im Portfolio haben, müssen dafür zukünftig (i) Informationen, Unterlagen und Daten sammeln, insbesondere auch zur Geolokalisierung der Erzeugungsflächen; (ii) Maßnahmen zur Risikobewertung treffen sowie, wenn und soweit erforderlich (iii) Maßnahmen zur Risikominderung. Sofern die Gefahr besteht, dass relevante Produkte „nichtkonform“ mit den Vorgaben der EUDR sind, dürfen sie nicht in Verkehr gebracht oder ausgeführt werden.

Als Teil der Risikobewertung müssen die Unternehmen unter Anderem Aspekte wie die Einhaltung lokaler Gesetze und den Erhalt des Lebensraumes indigener Völker und anderer lokaler Gemeinschaften, die in besonderer Weise von Waldökosystemen abhängig sind, berücksichtigen.

Das setzt also voraus, dass die Unternehmen solches Know-how zu lokaler Regulatorik entweder (i) intern vorhalten oder (ii) über geeignete Partner beschaffen, die den erforderlichen besitzen. Hier sind etwa Themen wie lokale Mindestarbeitsbedingungen oder Health& Safety-Standards zu nennen, die (wie auch schon im Zusammenhang zu bzw. den ILO-Standards) arbeitsrechtliche Relevanz haben. Auch spezifische Rechte indigener Völker, sofern diese an der Erzeugung, Ernte oder Herstellung des Produktes teilhaben, können arbeitsrechtlich relevant sein (z.B. Pflicht zur Beschäftigung bestimmter Personengruppen oder Quoten).

Aus „lokaler“ Perspektive müssen sich die Unternehmen darauf vorbereiten, dass die Pflichten aus der EUDR intern Kapazitäten binden. Es müssen zusätzliche Berichtsstrukturen geschaffen werden und sichergestellt werden, dass die benötigten Daten für das Reporting in der erforderlichen Qualität vorhanden sind. Im Idealfall kann bei der Erfüllung der Anforderungen nach der EUDR ein Rückgriff auf bereits bestehende Prozesse zur Erfüllung von Sorgfalts- und Berichtspflichten nach anderen ESG-Regularien erfolgen.

Vor Inverkehrbringung oder Ausfuhr relevanter Produkte müssen Unternehmen sodann eine Sorgfaltserklärung abgeben und übernehmen damit die Verantwortung für deren Konformität.

5. Folgen bei Verstößen

Im Falle eines Verstoßes gegen die Verordnung drohen erhebliche finanzielle Risiken in Form von Geldstrafen und Geldbußen sowie die mögliche Einziehung von Einnahmen, die aus der Transaktion mit einem relevanten Rohstoff oder Erzeugnis erzielt wurden. Schließlich kann das vorübergehende Verbot ausgesprochen werden, bestimmte Produkte in Verkehr zu bringen oder auszuführen. In Zeiten, in denen ESG in den Augen der Endkunden immer mehr an Relevanz gewinnt, drohen schließlich nicht zu vernachlässigende Reputationsrisiken.

Next Steps – das sollten Unternehmen jetzt tun!
  • Prüfen Sie, ob Sie von der EUDR betroffen sind.
  • Falls ja, führen Sie eine regulierungsbezogene „Due Diligence“ durch, um ggf. Handlungsnotwendigkeiten zu identifizieren, damit später nicht plötzlich bestimmte Produktsegmente nicht mehr verkehrsfähig sind.
  • Stellen Sie sicher, dass die nötigen Budgets, Kapazitäten, Wissensstände, Berichtswege und Daten vorhanden bzw. eingeplant sind. Insbesondere eine gute Datenverfügbarkeit ist – genau wie im Zusammenhang mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und der am 15. März 2024 beschlossenen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), – die unverzichtbare Basis für die Erfüllung der Anforderungen.
  • Verknüpfen Sie das Reporting mit bereits bestehenden Nachhaltigkeitsberichtspflichten, so weit wie möglich, um Synergieeffekte zu nutzen.

Sophie Haubold

Rechtsanwältin

Associate
Sophie Haubold berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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