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Strenges Schriftformerfordernis im Nachweisgesetz gelockert

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„Bürokratieabbau soll ein Dauerbrenner dieser Legislaturperiode werden“, versprach Justizminister Marco Buschmann. Mit dem Referentenentwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV-E) sollte das – nicht mehr zeitgemäße – strenge Schriftformerfordernis des Nachweisgesetzes gelockert werden. Bei näherer Betrachtung griff das selbst formulierte Ziel des Entwurfs, Unternehmen von Bürokratie zu entlasten, aber zu kurz (lesen Sie dazu den Blogbeitrag vom 27. Februar 2024). Nun ist erneut Bewegung in die Sache gekommen.

Die ursprüngliche „Reform“

Das neue Nachweisgesetz verpflichtet den Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages schriftlich festzuhalten. Dies kann im schriftlichen Arbeitsvertrag selbst oder in einem gesonderten Dokument erfolgen. In der Praxis wird aus Gründen der Übersichtlichkeit und Transparenz in der Regel ein gesondertes Dokument ausgestellt, um den Arbeitsvertrag nicht zu überfrachten (lesen Sie dazu den Blogbeitrag vom 8. August 2022).

Die ursprünglichen Entwürfe zum Bürokratieentlastungsgesetz sahen vor, dass der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen bereits dann erbracht ist, wenn dem Arbeitnehmer ein elektronisch geschlossener Arbeitsvertrag in ausdruckbarer Form übermittelt wird. Die strenge Schriftform sollte durch die elektronische Form ersetzt werden (lesen Sie dazu den Blogbeitrag vom 21. November 2023 und vom 27. Februar 2024).

Kritik an den Vorschlägen zur „Bürokratieentlastung“

Die Reaktion und Kritik an den Entwürfen war einhellig: Die geplanten Vorschläge gehen nicht weit genug und verfehlen das eigentliche Ziel der beabsichtigten Entbürokratisierung. So müssten Arbeitgeber nach den im Entwurf enthaltenen Regelungen alle wesentlichen Arbeitsbedingungen in den Arbeitsvertrag aufnehmen, wenn sie die elektronische Form nutzen wollen. Die elektronische Form setzt eine digitale Unterschrift, d.h. eine qualifizierte elektronische Signatur, voraus. In der Praxis sind beidseitig qualifiziert elektronisch signierte Arbeitsverträge unüblich. Die wenigsten Arbeitgeber nutzen sie. Für die in der Praxis übliche Variante, ein separates Dokument auszustellen, ist keine Erleichterung vorgesehen. Hier bleibt es beim Schriftformerfordernis.

Arbeitsverträge künftig auch elektronisch möglich

Die Kritik an dem Referentenentwurf hat den Stein ins Rollen gebracht. Wie der Bundesjustizminister Marco Buschmann gestern in einem Brief mitteilte, soll für den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen statt der Schriftform künftig die Textform ausreicht. Das Dokument muss für den Arbeitnehmer zugänglich sein, es muss gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber muss einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhalten. Nur auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers bleibt es bei der bisherigen Regelung und der Arbeitgeber muss einen schriftlichen Nachweis erstellen. Der Arbeitsvertrag unterlag zwar bisher nicht dem Schriftformerfordernis. Aufgrund der Vorgaben des Nachweisgesetzes müssen die Vertragsbedingungen bislang jedoch schriftlich festgehalten werden. Künftig reicht es aus, wenn der Arbeitsvertrag mit den wesentlichen Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer zum Beispiel als PDF per E-Mail zugesandt wird.

Ausblick

Arbeitgeber können vorerst aufatmen. Die Ersetzung der Schriftform durch die Textform ist ein Durchbruch und ein Schritt in die richtige Richtung. Unternehmen können nun vollständige digitale Personalakten führen und müssen nicht wieder zur Schriftform zurückkehren, um die Anforderungen des Nachweisgesetzes zu erfüllen. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet, es muss noch Bundestag und Bundesrat passieren. Weitere Änderungen sind nicht auszuschließen. Für Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind, soll die Schriftform bei der Nachweiserteilung erhalten bleiben.

Bitte beachten Sie auch, dass für befristete Arbeitsverträge, Kündigungen und Aufhebungsverträge weiterhin das strenge Schriftformerfordernis gilt. Hier ist weiterhin – trotz des digitalen Zeitalters – strikt die Schriftform des § 126 BGB zu wahren. Schriftform bedeutet insoweit, dass die jeweilige Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden muss.

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