Planen Unternehmen einen Personalabbau, stehen sie vor der großen Herausforderung, nicht gerade ihre jüngsten und besten Kräfte zu verlieren. Mit anderen Worten: Alternativen zur betriebsbedingten Kündigung und gesetzlichen Sozialauswahl sind gefragt. Dabei kann man zu dem klassischen Modell eines Freiwilligenprogramms greifen.Ist das Budget hinreichend groß, können auch Altersteilzeit- und Vorruhestandsmodelle genutzt werden.
Eine gute Alternative hierzu bietet der Einsatz von Langzeitkonten. Allerdings drohen in der Umsetzung sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Fallstricke, die unbedingt beachtet werden sollten.
Das Modell Langzeitkonto
Ein Langzeitkonto im Sinne des § 7b SGB IV funktioniert typischerweise so, dass der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum Arbeitslohn einbringt, den er sodann während einer Freistellungsperiode entnimmt, um diese zu finanzieren. Die eingebrachten Beträge unterliegen einem Insolvenz- und Anlageschutz. Sie werden erst im Zeitpunkt der jeweiligen Auszahlung steuerfällig und sind einschließlich des arbeitgeberseitigen Sozialversicherungsbeitrags eingebracht.
Während der Freistellungs- und Auszahlungsperiode zeigen sich sodann die wesentlichen Vorteile eines Langzeitkontos: Während der Freistellungsperiode verbleibt der Arbeitnehmer unabhängig von deren Länge in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis. Der Arbeitnehmer unterliegt daher dem vollständigen Sozialversicherungsschutz und erlangt weitere Rentenbausteine.
Zudem kann die Entnahme aus dem Langzeitkonto so gesteuert werden, dass die Freistellungsräume auf der Grundlage des bisherigen Monatseinkommens bis zu einer gewissen Grenze gestreckt werden können. Denn der Lohn kann bis auf 70% des früheren Durchschnittseinkommens reduziert werden. Schaltet man der Freistellungsperiode noch eine Periode der Teilzeitbeschäftigung voraus, können finanzierte Freistellungszeiträume sogar noch weiter gestreckt werden.
Dieses Modell eignet sich daher sehr gut, um Zeiträume bis zu einem Renteneintritt zu überbrücken. Dabei kann nicht nur auf bereits in der Vergangenheit eingesparte Beträge zurückgegriffen werden. In ein Langzeitkonto können vielmehr auch einmalige freiwillige zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers als sozialversicherungspflichtiges Entgelt in eine Wertguthaben eingebracht werden.
Siehe hierzu die Auflistung unter Ziffer 4.1, S. 23, Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 31. März 2009 [*.pdf, via Deutsche Rentenversicherung Bund].
Gewährt der Arbeitgeber nun Sonderboni zur Einbringung in ein Langzeitkonto, kann er alternativ zu einer ansonsten zu finanzierenden Abfindung oder zu der bloßen verlängerten Freistellung älteren Arbeitnehmern ein attraktives Ausstiegsprogramm bieten. Sofern die Sondereinbringungen an bestimmte Mindestvoraussetzungen des Alters, der Beschäftigungsdauer etc. geknüpft werden, kann damit zugleich ein Abbauprogramm gesteuert werden, welches passgenau auf eine ältere Beschäftigungsgruppe zielt.
Gestaltungsvoraussetzungen und -risiken
In der konkreten Ausgestaltung ist jedoch an mehreren Stellen höchste Vorsicht geboten:
Zum einen muss sichergestellt sein, dass die Sondereinbringung in Langzeitkonten Entgelt im Sinne des § 14 SGB IV darstellt und die Zahlung in ein geprüftes und anerkanntes Wertguthaben im Sinne des SGB IV eingebracht wird. Hilfreich ist es, wenn Unternehmen nicht erst oder jedenfalls nicht nur im Zusammenhang mit einer Restrukturierung ein Programm zu Langzeitkonten einrichten.
Des Weiteren muss jeder Zusammenhang zwischen der Sondereinbringung und einer sozialversicherungsfreien Abfindung vermieden werden; so darf die Zahlung nicht als Gegenleistung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht werden.
Die Zahlung darf auch nicht erst zum Stichtag einer Freistellung oder Beendigung fällig werden. Schließlich sollte bei der Berechnungen an vergangene „Leistungen“ des Arbeitnehmers angeknüpft werden, um den Charakter einer im Synallagma stehenden Lohnzahlung zu betonen.
Zum anderen ist darauf zu achten, dass die Vereinbarungen über die Entnahmephase und das Ausscheiden in einer solchen Form gestaltet werden, dass das Risiko einer unwirksamen Befristung nach dem TzBfG möglichst ausgeschlossen oder reduziert wird. Denn im Regelfall stehen die betroffenen Arbeitnehmer in unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Ein Eingriff in der Form einer Beendigung unterliegt daher der Befristungskontrolle.
Auf der absolut sicheren Seite stehen die Unternehmen dann, wenn sie die Beendigung auf das Regelrentenalter „ziehen“ und die Zeiträume bis zu diesem Zeitpunkt im dem Wertguthaben gestalten.
Kalkulation der Kosten
Kommt der Einsatz von Langzeitkonten in der Restrukturierung in Betracht, muss das Unternehmen bei der Kostenkalkulation einige Besonderheiten beachten, die bei der Berechnung eines Abfindungsbudgets keine Rolle spielen:
- Sämtliche Einbringungsbeträge unterliegen der vollen Sozialversicherungslast, sodass gegenüber den Abfindungskosten ca. 20% Mehrkosten anfallen.
- Während der Freistellungsperiode stehen die Arbeitnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis, sodass sämtliche Leistungen, die nicht an eine tatsächliche Beschäftigung anknüpfen, grundsätzlich weiterhin von Seiten des Unternehmens zu erbringen sind. Hierzu zählen z.B. Urlaubsansprüche oder Betriebstreueprämien oder die private Dienstwagennutzung.
- Soweit die Sonderleistungen auf keiner gesetzlichen Mindestregelung beruhen, sollte im Zusammenhang mit der Implementierung des Programms auch über einen Wegfall dieser Leistungen diskutiert werden. So könnte der Urlaubsanspruch auf das gesetzliche Mindestmaß zurückgefahren werden.
- Für die Anlage und Verwaltung der Einbringungen ins Langzeitkonto fallen Kosten an, die ebenfalls gesondert berücksichtigt werden sollten.
Fazit
Ein Langzeitkonto bietet Unternehmen Gestaltungsmöglichkeiten, die im Zusammenhang mit einer Restrukturierung passgenau genutzt werden können. Insbesondere kann über diesen Weg älteren Arbeitnehmern ein Ausstiegspaket geschnürt werden, das eine attraktive Alternative zur klassischen Abfindung bietet.