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Whistleblowing

EU-weiter Schutz von Whistleblowern

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Nach langen Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europäischem Parlament und den Mitgliedsstaaten hat das Europäische Parlament am 16. April 2019 eine Richtlinie zum „Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“, verabschiedet, welche nach Abschluss des europäischen Gesetzgebungsverfahrens innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Ziel der Richtlinie

Mit der Whistleblower-Richtlinie soll der derzeitige nur löchrige Schutz von Whistleblowern europaweit einheitlich geregelt werden. Erklärtes Ziel ist es, klare Schutzmechanismen zu erarbeiten, welche rechtswidrige Handlungen gegen das Unionsrecht aufdecken und verhindern. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereiches kommen Verstöße gegen das Unionsrecht in bestimmten Bereichen in Betracht, dazu zählen unter anderem das öffentliche Auftragswesen, der Verbraucherschutz sowie Finanzdienstleister, -produkte und -märkte. Die Ausweitung im Bereich Finanzen steht im direkten Zusammenhang mit den Finanzskandalen „Luxemburg-Leaks“ und „Panama-Papers“. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls explizit aufgenommen worden, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie den Anwendungsbereich ausdehnen dürfen, Art. 2 Abs. 2.

Meldesystem

Das lange umstrittene Meldesystem aus internen und externen Kanälen sowie der Veröffentlichung von Informationen ist in der verabschiedeten Richtlinie verblieben und nun wie folgt ausgestaltet:

  • Zunächst sollen nach Art. 7 und 8 interne Kanäle geschaffen werden, an die sich der Hinweisgeber wenden und seine Verstöße ohne Folgen melden kann. Diese Kanäle sollen im privaten Sektor ab 50 oder mehr Beschäftigten verpflichtend sein. Das Verfahren soll dabei die Identität des Whistleblowers schützen. Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. f muss auf die Meldung durch einen Hinweisgeber binnen einer Frist von drei Monaten geantwortet werden.
  • Weiter sind externe Kanäle aufzubauen, an die sich der Whistleblower nach der verabschiedeten Richtlinie sogar unmittelbar – ohne zunächst den internen Kanal genutzt zu haben – wenden kann. Unter „extern“ werden behördliche Stellen verstanden. Dabei bleibt spannend, welche Behörden in Deutschland diese Kommunikationswege für Meldungen schaffen müssen. Grundsätzlich käme dafür die Staatsanwaltschaft in Betracht; im Bereich der Finanzdienstleister wäre auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) denkbar.
  • Schließlich ist dem Whistleblower die Veröffentlichung der Informationen gestattet, wenn (1.) entweder interne und externe Kanäle die Direktmeldung über externe Kanäle zu keiner Abhilfe geführt haben oder (2.)
  1. der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann,
  2. im Fall einer externen behördlichen Meldung Repressalien zu befürchten sind,
  3. aufgrund der besonderen Umstände des Falles geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird (beispielsweise die Unterschlagung oder Vernichtung von Beweismitteln),
  4. Absprachen zwischen den Behörden und dem Verursacher des Verstoßes vorliegen oder
  5. die Behörde selbst beteiligt ist.

Kein Vorrang interner Kanäle

Es wurde lange gestritten, ob der Whistleblower zunächst zwingend interne Meldekanäle bemühen muss, bevor er sich an eine externe Stelle wenden darf. Dieses Erfordernis sieht die verabschiedete Richtlinie, wie bereits aufgezeigt, nicht vor. Es heißt zwar, dass die Whistleblower grundsätzlich darin „bestärkt“ werden sollen, zunächst interne Meldewege zu nutzen. Verpflichtend ist dies jedoch nicht. Whistleblower können sich nach der verabschiedeten Richtlinie auch unmittelbar an eine Behörde wenden.

Schutzmaßnahmen für den Whistleblower

Neben dem Meldesystem ist vor allem das Verbot von Repressalien gegen den Hinweisgeber entscheidend. Dieser ist vor allen Formen „einschließlich der Androhung und dem Versuch von Repressalien“ (Art. 19) zu schützen. Der gleiche Artikel enthält eine Auflistung, worin diese Repressalien insbesondere bestehen können, z.B. der Kündigung des Whistleblowers. Neben dem direkten Schutz von Whistleblowern müssen die Mitgliedstaaten Unterstützungsmaßnahmen schaffen. Dazu gehören unter anderem der einfache Zugang zu Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe oder Angebote zur psychologischen Betreuung, vgl. Art. 20.

Der „böse“ Whistleblower

Der Schutz vor falschen Beschuldigungen durch Whistleblower wird in der Richtlinie nicht geregelt. Nach Art. 23 Abs. 2 sollen die Mitgliedsstaaten Regelungen schaffen, die wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Personen darstellen, denen nachgewiesen wird, dass sie wissentlich falsche Meldungen oder Offenlegungen vorgenommen haben. Zusätzlich soll eine Regelung zur Wiedergutmachung von Schäden durch falsche Meldungen oder Offenlegungen geschaffen werden. An dieser Stelle lässt die Richtlinie viel Spielraum, sodass es auf die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten ankommt. Diese werden voraussichtlich sehr unterschiedlich ausfallen.

Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse

Ähnlich viel Spielraum lässt die Richtlinie beim Thema Datenschutz. Die DSGVO gibt den Arbeitnehmern nach Art. 15 ein umfassendes Auskunftsrecht. Dieses könnte dazu genutzt werden, Informationen über den Whistleblower herauszubekommen. In einer vergleichbaren Situation hat das LAG Baden-Württemberg einem Beschuldigten ein Auskunftsrecht zugesprochen. Aus den erhaltenen Informationen konnte dieser Rückschlüsse auf den Hinweisgeber ziehen (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.2018, 17 Sa 11/18). Ein solches Vorgehen widerspricht grundlegend dem Schutz der Identität des Whistleblowers.

In Deutschland muss zudem das Spannungsverhältnis zu dem neuen Geschäftsgeheimnisgesetz sowie zu § 4d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz gelöst werden. Geschäftsgeheimnisse dürfen unter bestimmten Gesichtspunkten veröffentlicht werden (siehe dazu auch den zweiten Beitrag dieses Newsletters „Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz: To-dos für Arbeitgeber“). Hinsichtlich § 4d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz stellt sich die Frage, ob das dort bereits praktizierte Verfahren bezüglich der Meldung von Hinweisen an Behörden mit der Umsetzung der Richtlinie in Einklang zu bringen ist. Dabei wird der Umgang mit „bösen“ Whistleblowern eine entscheidende Rolle spielen.

Fazit

Nach jahrelangem Ringen ist eine Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet worden. Leider schafft es die Richtlinie selbst nicht, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Whistleblowers und den Unternehmen herzustellen, sondern verweist diese Aufgabe an die Mitgliedstaaten. Dabei besteht die Gefahr, dass es zu 28 verschiedenen nationalen Regelungen kommt, wie man sich vor dem böswilligen Whistleblower schützen kann. Da jedoch Falschmeldungen kaum Halt vor Ländergrenzen machen werden, kann dieser Schutz nur lückenhaft sein. Auch darf man gespannt sein, wie der deutsche Gesetzgeber den Whistleblower zunächst zur internen Meldung „bestärkt“ und wie der Whistleblower nach deutschem Arbeitsrecht vor möglichen „Repressalien“ geschützt wird. Hier ist noch vieles im Unklaren. Wir werden weiter berichten.

Jakob Friedrich Krüger

Rechtsanwalt

Counsel
Jakob F. Krüger berät nationale und internationale Unternehmen. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Vorbereitung von Kündigungen und anschließender Prozessführung. Zudem berät er Mandanten in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie zu Fragen des Betriebsverfassungsrechts. Jakob F. Krüger ist ein aktives Mitglied der International Practice Group für Data Privacy bei Ius Laboris, dem Zusammenschluss der international führenden Arbeitsrechtskanzleien, und berät häufig an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Datenschutz, z.B. bei der Einführung von IT-Systemen. Aufgrund dieser Expertise ist er Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung von Unternehmen“. Ferner unterstützt er die Entwicklung von Legal Tech Anwendungen als Mitglied des Innovation Teams.
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