Verstößt ein Arbeitgeber gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz, kann der Betriebsrat gerichtlich und außergerichtlich dagegen vorgehen: Werden Mitbestimmungsrechte missachtet, kann er auch im Nachhinein eine Einigungsstelle zu dem fraglichen Regelungsgegenstand einsetzen lassen. Er kann die Unterlassung der Maßnahme gerichtlich durchsetzen, auch per einstweiliger Verfügung. Daneben gilt das Prinzip der Wirksamkeitsvoraussetzung. Was gilt jedoch im umgekehrten Fall – wenn der Betriebsrat gegen seine Pflichten verstößt?
Prozessuale Besonderheiten beim Betriebsrat als Verfahrensbeteiligtem
Neben der materiellrechtlichen Ebene (welche Pflichtverletzung kann dem Betriebsrat konkret vorgeworfen werden?) gibt es die prozessuale Ebene (wie können Ansprüche gegen den Betriebsrat durchgesetzt werden?). Letztere ist bezogen auf den Betriebsrat als Beteiligten sehr eingeschränkt. Dies deshalb, weil der Betriebsrat nach einhelliger Meinung nicht vermögensfähig ist. Dies hat zur Folge, dass, gleich welche Ansprüche man dem Arbeitgeber gegen den Betriebsrat zugestehen möchte, er diese jedenfalls nicht im Wege von Ordnungs- oder Zwangsgeld gegen den Betriebsrat als Kollegialorgan durchsetzen kann. Denn wo kein Vermögen, da auch keine Vollstreckung. Mangels Möglichkeit der Verhaftung eines Kollegialorgans scheitert auch eine Ordnungshaft als Vollstreckungsmaßnahme. Nun stellt sich zu Recht die Frage, was es dann überhaupt für einen Sinn macht, gegen einen Betriebsrat gerichtlich vorzugehen, wenn eine Vollstreckung des Beschlusses nicht möglich ist. Das BAG nahm genau diese Frage zum Anlass, im Jahr 2010 die Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat auch in materiellrechtlicher Hinsicht zu kürzen.
Durchsetzung von materiellrechtlichen Ansprüchen
Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsanträgen. Weiter gibt es zwei verschiedene Verfahrensarten, um Ansprüche durchzusetzen: Das Hauptsacheverfahren und, bei besonderer Dringlichkeit, den einstweiligen Rechtsschutz. Der Betriebsrat kann alle Verfahrensarten und alle Antragsarten nutzen. Beim Arbeitgeber soll dies nach dem Bundesarbeitsgericht anders sein: Der in der Praxis wichtige Unterlassungsanspruch soll dem Arbeitgeber verwehrt sein.
Kein Unterlassungsantrag möglich…
Nachdem es lange Zeit selbstverständlich von einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausging, änderte das BAG diese ständige Rechtsprechung im Jahr 2010 grundlegend. Es versagte dem Arbeitgeber in seiner Entscheidung vom17.03.2010 (BAG, Beschluss v. 17.3.2010 – 7 ABR 95/08) die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen den Betriebsrat. Zur Begründung führt das BAG im Wesentlichen an, dass ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers der Konzeption des § 23 BetrVG widerspräche und ein solcher zudem aufgrund fehlender Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Betriebsrat sinnlos wäre (s.o.). Aufgrund der Möglichkeit des § 23 Abs. 1 BetrVG (Auflösungsantrag als Gestaltungsantrag des Arbeitgebers) würden die Rechte des Arbeitgebers durch Verneinung des Unterlassungsanspruchs nicht verkürzt. Bei groben Verstößen des Betriebsrats stünde dem Arbeitgeber diese Möglichkeit zu, zudem könnte er die Unzulässigkeit der Betätigung des Betriebsrats nach Maßgabe des § 256 Abs. 1 ZPO feststellen lassen.
… dafür aber eine „Feststellungsverfügung“
An dieser Entscheidung kann sicherlich viel Kritik geübt werden, bisher wurde diese Rechtsprechung vom BAG jedoch nicht in Frage gestellt. Als „Ausgleich“ gewährt es dem Arbeitgeber etwas, was sonst nicht zulässig ist: Die Möglichkeit eines Antrags auf Feststellung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (BAG, Beschluss vom 28.05.2014 – 7 ABR 36/12). Das BAG gewährt dies neben dem im Übrigen auch für den Arbeitgeber „erlaubten“ Feststellungsantrag im Hauptsacheverfahren.
Aufgrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes, so das BAG, kann der Arbeitgeber also bei Verstößen des Betriebsrats gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO eine Feststellungsverfügung im arbeitsgerichtlichen Eilverfahren erwirken. Das ist sicher außergewöhnlich und lässt vermuten, dass das BAG selbst das durch seine Rechtsprechung geschaffene prozessuale Ungleichgewicht erkannt hat.
Fazit
Auch wenn die Feststellungsverfügung nicht vollstreckbar ist (was bei einem Betriebsrat aber ohnehin keinen Sinn machen würde), gibt die Zulassung dieses Rechtsbehelfs dem Arbeitgeber die Möglichkeit, den Betriebsrat zu rechtmäßigem Verhalten anzuhalten und dies sogar im gerichtlichen Eilverfahren. Der Arbeitgeber kann also selbst aktiv werden und zum Beispiel per einstweiligem Rechtsschutz feststellen lassen, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber umgesetzte Maßnahmen zu dulden hat. So kommt er einer etwaigen einstweiligen Verfügung des Betriebsrates auf Unterlassung zuvor. Natürlich muss der Arbeitgeber gute Gründe haben, weshalb er eine Maßnahme ohne Mitbestimmung umsetzt. Bei dringenden Maßnahmen einerseits und einer Blockadehaltung und Verzögerungstaktik des Betriebsrates andererseits kann ein solcher Antrag aber durchaus bedenkenswert sein. Im Erfolgsfalle ist dieser dann zwar nicht vollstreckbar, der Betriebsrat wird sich aber wohl überlegen, ob er gegenüber der Belegschaft vertreten kann, dass er offensichtlich gegen ein gerichtlich festgestelltes Recht verstößt. Außerdem, und dass kann für den Arbeitgeber von großer Bedeutung sein, kann eine solche Feststellung als Baustein für ein etwaiges Amtsenthebungs- oder Auflösungsverfahren gegen den Betriebsrat dienen.