Ein TikTok-Video von gerade einmal 17 Sekunden löste den Hype aus: Nutzer zaidleppelin lässt den Ausdruck „Quiet Quitting“ in den sozialen Medien viral gehen und kassiert dafür vor allem in der jüngeren Generation Zuspruch und eine halbe Million „Likes“ bei über 3,5 Mio. Aufrufen. Längst ist der Trendbegriff auch bei vielen Personalverantwortlichen in Unternehmen angekommen. Doch was verbirgt sich hinter dem Trend und wie reagieren Arbeitgeber auf „Quiet Quitters“ richtig?
Einstellungswandel in der „GenZ“?!
Es ist bekannt, dass sich die jüngere Generation, die am Anfang ihres Berufslebens stehen (die sog. Generation „Gen“ Z) häufig nicht mehr in der Weise mit dem Unternehmen identifiziert, wie dies noch die Babyboomer-Generation getan hat. Zugespitzt gesagt, bewegt sich das Lebensmotto weg von „Leben, um zu arbeiten“ hin zu „Arbeiten, um zu leben“. Begünstigt wird ein Einstellungswandel hierbei in vielen Branchen noch durch den guten Arbeitsmarkt infolge des Fachkräftemangels. Getreu dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Eine Austauschbarkeit von Fachkräften, wie sie vielleicht vor einigen Jahren (Jahrzehnten) noch möglich war, gibt es heute nicht mehr. Pauschale Be- und Verurteilungen der „GenZ“ verbieten sich jedoch. Ein Wandel der Ansprüche nachfolgender Generationen an den Arbeitsmarkt hat es und wird es immer geben.
Quiet Quitting (ins Deutsche oftmals vage übersetzt mit „stille Kündigung“) hat nichts mit einer Kündigung zu tun – jedenfalls nicht mit einer Kündigung im arbeitsrechtlichen Sinn. Es beschreibt vielmehr eine innere Einstellung bzw. ein Arbeitsverhalten, dass darauf ausgelegt ist, nicht mehr zu tun als das, wozu man ohnehin arbeitsvertraglich verpflichtet ist. zaidleppelin beschreibt dies als „Quitting the idea of going above and beyond at work“.
Quiet Quitting ist nicht gleich „Dienst nach Vorschrift“
Dabei ist Quiet Quitting nicht gleichzusetzen mit den bekannten Phänomenen des „Dienst nach Vorschrift“ oder „Bummelstreiks“. Bei Letzteren wird häufig ein Protest, eine Unzufriedenheit oder Ärger zum Ausdruck gebracht, oftmals verbunden mit der Intention oder zumindest in dem Wissen, dem Arbeitgeber zu schaden. Anders beim Quiet Quitting: Ziel hierbei ist es, gerade so viel zu tun, dass man zwar (nur) seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommt, zugleich aber so viel zu leisten, dass es nicht unangenehm oder negativ auffällt. Motivator ist vielmehr das Ziel, möglichst viel Zeit für sein eigenes Privatleben zu haben („Work-Life-Balance“) und sich nicht unnötig übermäßigem Stress auszusetzen („Burn-Out-Prophylaxe“). Alles in dem (vermeintlichen) Bewusstsein, nur eine „Nummer“ zu sein, denselben Verdienst und dieselbe Anerkennung zu ernten wie bei Einlassen auf die „Hustle Culture“. Frust oder Unzufriedenheit über den Arbeitsalltag sind mögliche Begleitfaktoren, aber nicht zwangsläufig der Treiber. Eine bewusste Schädigungsabsicht gegenüber dem Arbeitgeber besteht hierbei gerade nicht.
„Weniger ist mehr“? Wann der Arbeitgeber was tun kann
Nicht immer haben Arbeitgeber gegen Quiet Quitters eine rechtliche Handhabe. Vielmehr kommt es – wie so häufig – auf die konkrete „Ausführung“ im Einzelfall an. Der persönliche Einsatz eines Mitarbeiters kann sich einfach darauf beschränken, keine Mehrarbeit mehr zu übernehmen, zu der man nicht vertraglich verpflichtet ist, sich nicht freiwillig für neue Projekte zu melden, E-Mails nicht mehr außerhalb der Dienstzeit zu beantworten oder sein außerdienstliches Engagement im Betrieb einzustellen. Für all dies gibt es arbeitsrechtlich in der Regel keine Handhabe. Einen Anspruch darauf, dass Mitarbeiter (über)motiviert und voller Elan zur Arbeit kommen und gelegentlich auch eine „Extra-Meile“ gehen, hat der Arbeitgeber nicht.
Anders jedoch, wenn sich die geänderte Arbeitseinstellung infolge des Quiet Quitting „definitionswidrig“ konkret auf die Arbeitsleistung auswirkt. Dann kann es sich dabei um eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung handeln. Im Arbeitsrecht gilt dabei der subjektive Leistungsbegriff. Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich „tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann“. Er muss die ihm übertragene Arbeit konzentriert und unter Anspannung seiner Fähigkeiten sorgfältig verrichten und darf ihm mögliche Leistungen nicht zurückhalten. Eine Reduktion des Arbeitsvolumens, eine sich einstellende nachlässige Arbeitsweise, die die Arbeitsprodukte in ihrer Qualität einschränken oder das „Ziehen“ von zu erledigenden Aufgaben sind arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen. Auch können Arbeitnehmer sich der oftmals in diesem Zusammenhang angeprangerten „Hustle Culture“ in Form von Überstunden jedenfalls dann nicht entziehen, wenn diese arbeitsvertraglich (oder auf Basis einer Betriebsvereinbarung) angeordnet werden können.
Low-Performer vs. Quiet Quitters
Das Problem dabei steckt jedoch bereits im Namen. Die innere Kündigung passiert „quiet“ und soll gerade nicht auffallen. Selbst wenn dem Arbeitgeber jedoch allmählich bewusstwird, dass sich eine schleichende Underperformance bei einem Arbeitnehmer eingestellt hat, müssen arbeitsrechtliche Sanktionierungsversuche sehr sorgfältig vorbereitet und umgesetzt werden. Jedenfalls in Zweifelsfällen sollten sie daher von Anfang an rechtlich begleitet werden. Denn die Darlegungs- und Beweislast für eine Schlecht- oder Minderleistung liegt in einem zu erwartenden Kündigungsschutzprozess beim Arbeitgeber. Eine pauschale Bewertung der Arbeitsleistung als „zu geringfügig“, „unterdurchschnittlich“ oder „nachlässig“ reicht hierfür regelmäßig nicht aus. Dem Sachvortrag muss konkret zu unternehmen sein, welche durchschnittliche Arbeitsleistung zu erbringen wäre, inwiefern der Arbeitnehmer konkret eine unzureichende Leistung erbracht hat und in welcher Hinsicht sich diese ausgewirkt hat (qualitative oder quantitative Mängel). Zudem ist der Arbeitnehmer vorher abzumahnen.
Im Grunde steht der Arbeitgeber vor ähnlichen Herausforderungen wie bei den sog. „Low-Performern“. Deshalb kann man sich an der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientieren. Danach gilt, dass erst ab einer Leistungseinbuße von einem Drittel der Durchschnittsleistung in der Regel von einer kündigungsrelevanten Störung des Leistungsgleichgewichts ausgegangen werden kann (vgl. BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02).
Frühzeitig Rahmenbedingungen schaffen
Auch für „Quiet Quitters“ ist es geboten, durch Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 GewO und durch entsprechende Dokumentation von Mängeln eine belastbare Grundlage für arbeitsrechtliche Maßnahmen zu schaffen. Arbeitgeber sollten sich vorbereiten und frühzeitig agieren und nicht erst, wenn das „Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“.
Absteckung des Erwartungsrahmens durch Nutzung des Direktionsrechts (§ 106 GewO): |
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Vorbereitung / Dokumentation von Pflichtverletzungen: |
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Weitere Informationen zum richtigen Umgang mit Low-Performern finden Sie in der mehrteiligen Reihe hierzu auf unserem Blog.
Best Practices für die Praxis
Arbeitgeber sollten sich durch den Hype um Quiet Quitting nicht aus der Ruhe bringen lassen. Eine Arbeitseinstellung, die sich auf das vertraglich vereinbarte Pensum beschränkt, ist kein neues Phänomen. Es wurde allenfalls durch die sozialen Medien wieder etwas mehr ins Bewusstsein gerufen. Längst nicht alle Mitarbeiter werden sich mit dem Thema beschäftigen oder gar selbst „still kündigen“.
Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen bei inneren Einstellungen wie im Falle des Quiet Quitting sind vielfach mit Risiken verbunden und binden Kapazitäten. Die Motivation und Zufriedenheit der Arbeitnehmer liegen aber in der Hand der Arbeitgeber. Unternehmen sollten daher einer stillen Kündigung möglichst präventiv begegnen, insbesondere durch Anerkennung guter und ausdauernder Leistungen, und durch Bereitstellung monetärer und nicht-monetärer Incentives und Benefits (vgl. zu einer Auswahl unseren Blogartikel zur Nachhaltigen Mitarbeiterbindung und zur Talent Retention). Was es in Bezug auf Halte- und Treueprämien zu beachten gilt, erläutern wir hier.