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Corona-Infektion am Arbeitsplatz als Arbeitsunfall oder gar Berufskrankheit?

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Die gerichtliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie dauert an. Eine kürzlich ergangene sozialgerichtliche Entscheidung gibt Anlass, dass wir uns (nochmals) mit Haftungsfragen im Zusammenhang mit Corona-Infektionen am Arbeitsplatz befassen. Kann es sich bei einer Corona-Infektion während der Arbeitszeit oder am Arbeitsplatz um einen Arbeitsunfall oder gar eine Berufskrankheit handeln?

Nach hoffentlich überstandener Corona-Infektion am Arbeitsplatz folgt ggf. deren gerichtliche Aufarbeitung. Sollte es sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit handeln, hätte dies u.a. zur Folge, dass eine Meldung entsprechender Corona-Fälle an den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu erfolgen hat und der erkrankte Mitarbeiter diesem gegenüber evtl. Leistungsansprüche hätte.

Fragliche Haftung des Arbeitgebers

In unserem Blogbeitrag vom 31. Mai 2022 haben wir uns bereits mit der Frage befasst, inwiefern für Arbeitgeber im Zusammenhang mit Corona-Infektionen am Arbeitsplatz ein Haftungsrisiko besteht. Eine Haftung des Arbeitgebers kommt demnach allenfalls in Betracht, wenn der erkrankte Mitarbeiter den praktisch schwierigen Nachweis erbringt, dass eine pflichtwidrige Handlung des Arbeitgebers (z.B. unterlassenes Hygienekonzept) ursächlich für seine Corona-Infektion war. Ein sicherer Nachweis der Infektionsketten bei Corona-Infektionen ist bekanntlich nahezu unmöglich. Zudem greift im Zweifel die Haftungsprivilegierung der gesetzlichen Vorschriften der Unfallversicherung, wonach Arbeitgeber für Personenschäden ihrer Arbeitnehmer allenfalls haften, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht haben oder ein sog. Wegeunfall (Infektion auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause) vorliegt.

Hieran schließt sich die Frage an, ob entsprechende Fälle von Corona-Infektionen am Arbeitsplatz einen Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen. Dies hätte weitreichende Konsequenzen, so dass der Arbeitgeber entsprechende Fälle dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung melden müsste, der Durchgangsarzt zuständig wäre und Arbeitnehmer Leistungsansprüche gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen könnten. Deren Leistungen zur Heilbehandlung sind oftmals deutlich höher einzuschätzen, als dies bei Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung der Fall wäre. Es ist daher sinnvoll, den Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung auch im Rahmen einer Corona-Infektion im Blick zu halten.

Gegenstand der Entscheidung des SG Konstanz

Das SG Konstanz hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Arbeitnehmerin – trotz vorhandenem Hygienekonzept nach erfolgter Gefährdungsbeurteilung – mit typischen Langzeitfolgen an Corona erkrankte, nachdem ein im Betrieb tätiger Leiharbeitnehmer ebenfalls daran erkrankt war (SG Konstanz vom 16.9.2022 – S 1 U 452/22). Die auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Klage hat das SG Koblenz abgewiesen.

Zwar stünde der Umstand, dass es sich bei einer Corona-Infektion angesichts der massenhaften Infektionsfälle in Deutschland um eine allgemeine Gefahr handelte, einer Anerkennung als Arbeitsunfall nicht entgegen. Es fehle jedoch am Nachweis der sog. Unfallkausalität, d.h. dass die behandlungsbedürftige Corona-Infektion bei der versicherten Tätigkeit (also während der Erbringung der Arbeitsleistung) und nicht aufgrund von Infektionsmöglichkeiten im privaten Bereich entstanden sei. Allein das zeitliche Zusammenfallen mit der Infektion eines Arbeitskollegen sei insoweit nicht ausreichend. Auch die vom Robert-Koch-Institut entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung enger Kontaktpersonen ließen nicht unmittelbar darauf schließen, ob eine Infektion durch Kontakte am Arbeitsplatz verursacht wurde. Im Gegenteil: Nach der Auffassung des SG Koblenz könne man nicht von einer typischen Gefährdung am Arbeitsplatz ausgehen, wenn man die Infektionsgefahr durch den Kontakt der klagenden Arbeitnehmerin mit dem Leiharbeitnehmer mit der Infektionsgefahr, welche allein bei einem Einkauf im Supermarkt für eine vierköpfige Familie bestehe, vergleiche.

Haftung des gesetzlichen Unfallversicherers

Eine Corona-Infektion am Arbeitsplatz oder im Rahmen der Arbeitszeit ist ziemlich eindeutig ein Arbeitsunfall und kann unter Umständen auch eine Berufskrankheit darstellen. Allerdings ist auch hier der sog. Ursachenzusammenhang zwischen der Erkrankung und der Arbeitstätigkeit erforderlich und setzen die Sozialgerichte insoweit einen strengen Maßstab an.

Eine Anerkennung als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit ist nur denkbar, falls der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nur am Arbeitsplatz infiziert haben kann. Andererseits müssen Konkurrenzursachen aus dem privaten Bereich (z.B. familiäre und sonstige soziale Kontakte, Einkaufen, Arztbesuch) ausgeschlossen sein. Nur wer kann von sich behaupten, dass innerhalb der üblichen Inkubationszeit im privaten Umfeld überhaupt keine Kontaktmöglichkeit mit infizierten Personen bestand oder im Rahmen privater Kontakte ausnahmslos eine FFP2-Maske getragen wurde? Dies wäre allenfalls denkbar, wenn der Arbeitnehmer alleinstehend ist, oder aus anderen Gründen gar keine Kontakte zur Außenwelt hatte, oder die Ansteckung auf einer (längeren) Geschäftsreise erfolgt sein muss. Selbst wenn eine Erkrankung zeitlich mit der Anordnung einer Quarantäne zusammenfällt, die wegen des Kontakts zum Arbeitgeber bzw. zu einer für den Arbeitgeber handelnden Person angeordnet wurde, ist der Ursachenzusammenhang keinesfalls zwingend.

Praxishinweise

Corona-Infektionen am Arbeitsplatz können weitreichende gesundheitliche Folgen und Langzeitfolgen (bis zu einem Komplettausfall) des betreffenden Mitarbeiters haben und werden sämtliche Gerichtsbarkeiten weiterhin beschäftigen. Auch wenn die Träger der gesetzlichen Unfallversicherungen insoweit restriktiv herangezogen werden können, ist eine Leistung keineswegs aussichtslos. Auch Arbeitgeber sind insoweit nicht von vornherein von jeglicher Verantwortung befreit. Für Arbeitgeber gilt es trotz der nahezu flächendeckenden Reduzierung bzw. Aufhebung von Corona-Schutzmaßnahmen die Infektionsgefahr für die Belegschaft stetig neu zu bewerten und (weiterhin) Hygienekonzepte in Bezug auf Infektionskrankheiten wie insbesondere Corona zu erstellen.

Jutta Heidisch

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Jutta Heidisch berät deutsche und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Schwerpunkte sind die Beratung bei Umstrukturierungen, betriebsverfassungs- und tarifrechtlichen Fragestellungen sowie die Vertretung von Mandanten in arbeitsgerichtlichen Urteils- und Beschlussverfahren in sämtlichen Instanzen. Besondere Expertise besitzt Jutta Heidisch außerdem im Arbeitskampfrecht sowie Fremdpersonaleinsatz in Unternehmen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Aufsichtsratsberatung".
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