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Sturz bei Teilnahme am Firmenlauf – ein Arbeitsunfall?

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Firmenläufe sind in vielen Unternehmen beliebte Veranstaltungen, um gemeinsam sportlich aktiv zu werden. Doch was gilt, wenn es bei einem Firmenlauf zu einem Unfall eines Teilnehmenden kommt? Handelt es sich um einen Arbeitsunfall, sodass in einem solchen Fall der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung greift? Das LSG Berlin-Brandenburg hatte sich im März 2023 mit dieser Frage zu beschäftigen und stellte klar: Es handelt sich bei einem Unfall im Rahmen eines Firmenlaufs nicht um einen Arbeitsunfall.

Wann ein Arbeitsunfall vorliegt, regelt das Gesetz (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Voraussetzung eines Arbeitsunfalls ist, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall herbeiführt. Es muss also eine sachliche Verbindung mit der versicherten Tätigkeit bestehen, ein sog. innerer Zusammenhang. Dieser ist wertend zu ermitteln.

Bei einem Firmenlauf kann die gesetzliche Unfallversicherung aus unterschiedlichen Gründen eine Eintrittspflicht treffen. In Betracht kommt, dass ein Unfall bei Ausführung der arbeitsvertraglichen Pflichten, im Rahmen von Betriebssport oder einer (auch einmaligen) betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung passiert. Mit der Frage, ob einer dieser Gründe vorliegt, hatte sich nun das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 21.3.2023 – L 3 U 66/21) zu befassen.

Worum ging es?

Die Klägerin nahm im Mai 2019 gemeinsam mit anderen Mitarbeitenden ihres Unternehmens als Inlineskaterin am Berliner Firmenlauf teil. Der Lauf, der neben sportinteressierten Beschäftigten verschiedener Unternehmen auch Freizeit- und Nachbarschaftsteams offenstand, fand am späten Nachmittag und Abend im Berliner Tiergarten mit u.a. Disziplinen wie Laufen, Skaten, Rollstuhlfahren und Skateboarden statt und endete mit einer Siegerehrung und einer „Run-Party“. Der Lauf wurde dabei von zahlreichen Unternehmen finanziell wie materiell unterstützt. So auch von der Arbeitgeberin der Klägerin, die einen Marketing-Stand bei dem Lauf betreute, im Vorfeld mehrfach für die Teilnahme warb, die Teilnahmegebühren erstattete und „Lauf-Shirts“ zur Verfügung stellte, auf denen der Firmenname der Arbeitgeberin abgedruckt war.

Die Klägerin nahm als Inlineskaterin an dem Firmenlauf teil, doch stürzte sie nach dem Start auf nassem Untergrund und brach sich das rechte Handgelenk. Die Verletzung führte aufgrund von Komplikationen zu einer ca. 1,5 Jahre andauernden Arbeitsunfähigkeit.

Die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg

Das LSG bestätigte nun die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts, welches im Einklang mit der Auffassung der Unfallkasse entschied, dass kein Arbeitsunfall und somit auch keine Eintrittspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung vorliege. Das LSG führte aus, dass die freiwillige Teilnahme an einem Firmenlauf auch dann, wenn diese durch das Unternehmen beworben und unterstützt werde, keine arbeitsvertragliche Verpflichtung begründe.

Der Firmenlauf stelle auch keinen Betriebssport dar, weil aufgrund der offenen Teilnahmemöglichkeit auch für externe Teams nicht die notwendige unternehmensbezogene Organisation vorläge. Zudem sei bei einer Siegerermittlung und -ehrung ein Wettkampfcharakter nicht abzusprechen. Daran ändere auch nichts, dass die Klägerin sich unregelmäßig mit anderen Beschäftigten des Unternehmens zum Inlineskaten treffe, da es sich hierbei um eine rein private Freizeitveranstaltung handle.

Auch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung läge nicht vor, weil der erforderliche Zweck der Stärkung des betrieblichen Zusammenhalts nicht erreicht werden könne, wenn kein verbindliches Programm für die nicht laufinteressierten Beschäftigten vorliege und die Veranstaltung von vornherein auch nicht dem Unternehmen angehörigen Personen offenstehe.

Ein Versicherungsschutz bestehe zuletzt auch nicht aus dem Grund, dass eine Maßnahme in das betriebliche Gesundheitsmanagement des Unternehmens aufgenommen wurde. Der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit müsse objektiv feststehen und könne – abseits von der arbeitsvertraglichen Bestimmung über den Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses – nicht subjektiv vereinbart werden.

Fazit

Das LSG Berlin-Brandenburg führt mit seinem Urteil die Rechtsprechung des BSG fort und überrascht aus rechtlicher Hinsicht nicht. Das Urteil schafft jedoch Bewusstsein dafür, dass die Bezeichnung als „Firmenlauf“ durchaus in die Irre führen und einen Versicherungsschutz suggerieren kann. Arbeitgebern wie Betriebsräten ist angeraten, bei der Werbung für Firmenläufe darauf hinzuweisen, dass ein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht besteht.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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