Absagen in Bewerbungsverfahren sind heute oft standardisiert. Das hat gute Gründe. Denn unbedachte Formulierungen können teuer werden. Anschaulich zeigt dies eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg: Das LAG urteilte über die Frage, ob die Absage gegenüber einem männlichen Bewerber mit dem Hinweis, die Tätigkeit sei „eher etwas für flinke Frauenhände“, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellen kann.
Der Fall
Die Beklagte stellt Modellfahrzeuge im Maßstab 1:87 her. Sie hatte eine Stelle als Bestücker (m/w/d) einer Digitaldruckmaschine ausgeschrieben. Die Teile, die in die Maschine eingelegt und entnommen werden müssen, sind zwischen zwei und 20 Millimeter groß. In der Stellenbeschreibung wurde daher u.a. „Fingerfertigkeit/Geschick“ verlangt.
Der Kläger bewarb sich auf die Stelle und wurde abgelehnt. Die Absage wurde u.a. folgendermaßen begründet: „Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie für diese Stelle nicht in Frage kommen.“ Der Kläger hielt die Absage für diskriminierend und erhob Klage auf Zahlung einer Entschädigung.
Das LAG Nürnberg untersuchte, ob sich dem Absageschreiben eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechts entnehmen ließ. Gem. § 7 AGG gilt ein allgemeines Benachteiligungsverbot, welches sich u.a. auf Benachteiligungen wegen des Geschlechts erstreckt.
Wie auch in erster Instanz das Arbeitsgericht Nürnberg nahm das LAG eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts an (Urteil vom 13.12.2022 – 7 Sa 168/22). Nachdem das Arbeitsgericht dem Kläger noch 3.300 Euro zugesprochen hatte (Urteil vom 10. Januar 2022 – 3 Ca 2832/21), setzte das LAG die Entschädigung auf 2.500 Euro fest.
Benachteiligung wegen des Geschlechts
Das LAG ging davon aus, dass der Anwendungsbereich des AGG für den Kläger als Bewerber eröffnet war (zum Vorliegen des Bewerberstatus siehe Blogbeitrag vom 24. August 2022). Der Formulierung in dem Absageschreiben entnahm das LAG eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechts.
Den Einwand der Beklagten, die Formulierung „flinke Frauenhände“ sei als Synonym für Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit verwendet worden, hielt das LAG für fernliegend. Auch das Argument der Beklagten, die Formulierung sei „salopp“ und „humorvoll“ gemeint gewesen, hat das LAG nicht gelten lassen. Eine solche Konnotation sei in der Schriftform nicht erkennbar; außerdem könne sonst jede ausformulierte Diskriminierung unter Verweis auf den fehlenden Ernst „gerettet“ werden. Insbesondere sei dem Kläger nicht die Möglichkeit gegeben worden, bei einem Probearbeiten seine Eignung für die Tätigkeit unter Beweis zu stellen. Dies sei ihm gerade deswegen verwehrt worden, „weil er ein Mann war“, so das LAG.
Kein Grund für unterschiedliche Behandlung
Das LAG schloss auch aus, dass die Benachteiligung des Klägers ausnahmsweise zulässig gewesen sein könnte. Das hätte nach dem AGG insbesondere vorausgesetzt, dass das Geschlecht eine wesentliche und entscheidende, sowie angemessene und erforderliche berufliche Anforderung für die konkrete Tätigkeit darstellte. Das LAG sah jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Größe von Händen und Fingern einerseits und dem Feingefühl und der Feinmotorik andererseits.
Schließlich konnte sich die Beklagte auch nicht erfolgreich darauf berufen, der Kläger habe sich nur auf die Stelle beworben, um im Fall der (erhofften) Absage eine Entschädigung geltend machen zu können (siehe zum „AGG-Hopping“ Blogbeitrag vom 27. November 2019). Dafür lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.
Höhe des Entschädigungsanspruchs
Grundlage für den Entschädigungsanspruch ist § 15 Abs. 2 AGG. Ihm zufolge kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eine „angemessene Entschädigung in Geld“ verlangt werden.
Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verfolgt zwei Zwecke: Zum einen soll der erlittene Schaden der betroffenen Person kompensiert werden. Zum anderen soll die Entschädigung eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin entfalten. Die konkrete Höhe des Entschädigungsanspruchs ist daher abhängig von den Umständen des Einzelfalles. U.a. werden dafür die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen sowie Anlass und Verantwortlichkeitsgrad des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin in die Betrachtung einbezogen.
Während das Arbeitsgericht Nürnberg noch das das knapp 2-fache des auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsgehalts für eine angemessene Entschädigung gehalten hatte, stufte das LAG die Benachteiligung des Klägers als weniger gravierend ein. Es legte die Höhe der Entschädigung daher auf 1,5 Bruttomonatsgehälter fest.
Praxis-Tipp
Auf vermeintlich „humorvolle“ oder auch nur saloppe Formulierungen sollte in Absage-Schreiben verzichtet werden. Das LAG Nürnberg weist zurecht darauf hin, dass Humor in der Schriftform nicht zwingend als solcher erkennbar ist. Für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen empfiehlt es sich daher, eine Absage höflich und insbesondere neutral zu überbringen. Dass freundliche Formulierungen und ein respektvolles Verhalten bei Absageschreiben im Übrigen eine „Selbstverständlichkeit“ sind, hat auch das BAG schon angemerkt (vgl. BAG vom 28. Mai 2020 – 8 AZR 170/19). Eine unbedacht formulierte Absage kann aber nicht nur unhöflich sein, sondern auch teuer werden, wie die Entscheidung des LAG Nürnberg zeigt.