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Keine persönliche (Durchgriffs-)Haftung des Geschäftsführers für Mindestlohnansprüche

Die Haftung der Geschäftsführer einer GmbH ist grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Eine persönliche Haftung gegenüber Dritten besteht nicht. Diese gesetzgeberische Wertung gilt nach Auffassung des BAG auch im Bereich des Mindestlohns.

Nach § 20 MiLoG sind Arbeitgeber zur rechtzeitigen Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung stellt nach § 21 Abs. 1 Nr. 11 MiLoG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit empfindlichen Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Bis vor kurzem war höchstrichterlich ungeklärt, ob Arbeitnehmer, die den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig erhalten, direkt an den Geschäftsführer halten und von diesem Schadensersatz verlangen können. In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG eine persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers nun mit überzeugender Begründung abgelehnt (Urteil vom 30.3.2023 – 8 AZR 120/22).

Worum ging es in dem Fall?

Nachdem der klagende Arbeitnehmer in der Vergangenheit mehrfach verspätet seine monatliche Vergütung von seiner Arbeitgeberin, einer GmbH, erhalten hatte, machte er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch und erbrachte einen Monat lang keine Arbeitsleistungen. Für diesen Monat zahlte die Arbeitgeberin dann gar keine Vergütung an den Kläger. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahm der Kläger die beiden Geschäftsführer auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns wegen der unterbliebenen Vergütung für den betreffenden Monat in Anspruch. Weder das Arbeitsgericht noch das LAG gaben dem Kläger Recht. Auch die vom Kläger eingelegte Revision beim BAG blieb erfolglos.

Grundsatz: Keine persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers

Ausweislich der in § 43 Abs. 2 GmbH zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung ist die Haftung der GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Gegenüber außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer nicht persönlich. Die Außenhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten ist vielmehr nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Eine persönliche Haftung der Geschäftsführer kommt nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines besonderen Haftungsgrundes in Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall liegt beispielsweise vor bei der Haftung für Steuerschulden einer GmbH (§ 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO), bei Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO) oder bei nicht ordnungsgemäßer Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB).

BAG: Kein besonderer Haftungsgrund gegeben

Das BAG lehnte einen besonderen Haftungsgrund im vorliegenden Fall ab. Als alleinige Anspruchsgrundlage für den vom klagenden Arbeitnehmer behaupteten Schadensersatzanspruch komme vorliegend § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 11, 20 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG in Betracht. Der Schadensersatzanspruch scheitere aber daran, dass es sich bei dem Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. § 20 MiLoG nicht um ein Schutzgesetz handele.

Eine Rechtsnorm ist dann ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise vor einer Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Diese Voraussetzung sei zwar – so das BAG – auch bei § 21 Abs. 1 Nr. 11 MiLoG erfüllt. Denn die Vorschrift soll Arbeitnehmer davor schützen, dass ihnen entgegen § 20 MiLoG der Mindestlohn nicht rechtzeitig (oder überhaupt nicht) gezahlt wird. Entsprechend solle die Bußgeldandrohung den Arbeitgeber dazu anhalten, seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Zahlung auch tatsächlich nachzukommen.

Vor dem Hintergrund des Haftungssystems des GmbHG, in dem es eine allgemeine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer der GmbH eben nicht gebe, sei die Vorschrift gleichwohl nicht als Schutzgesetz zu qualifizieren. Würde man dies anders sehen, hätte dies zur Folge, dass Geschäftsführer selbst bei nur (leicht) fahrlässigen Verstößen gegen § 20 MiLoG von Arbeitnehmern auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könnten. Dadurch würde das allgemeine Haftungssystem des GmbHG konterkariert.

Nach Auffassung des BAG ändere die Tatsache, dass § 266a Abs. 2 und Abs. 3 StGB anerkannte Schutzgesetze zugunsten der Arbeitnehmer darstellen, an dem Ergebnis nichts. Die Qualifizierung dieser Rechtsnormen als Schutzgesetz sei vor dem Hintergrund gerechtfertigt, als diese Vorschriften dem Schutzinteresse der Arbeitnehmer an der treuhänderischen Verwaltung von Teilen ihres Arbeitseinkommens dienen. Eine derartige treuhänderische Bindung des Arbeitgebers sei mit Blick auf die Zahlung der Vergütung bzw. des Mindestlohns nicht gegeben.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Auch im Bereich des Mindestlohns gilt weiterhin der Grundsatz, dass Geschäftsführer der GmbH lediglich im Innenverhältnis, nicht aber im Außenverhältnis haften. Ein Freifahrtschein bedeutet diese Entscheidung indes nicht. Denn an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der GmbH-Geschäftsführer für Verstöße gegen Straftatbestände (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) hat sich nichts geändert. Insbesondere dann, wenn Bußgelder nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 11, 20 MiLoG verhängt werden, können Geschäftsführer im Innenverhältnis haften. Vor diesem Hintergrund sollten Geschäftsführer die Vorschriften des MiLoG nach wie vor sorgfältig beachten und für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten Sorge tragen.

Vielen Dank an Adrian Pracht (wissenschaftlicher Mitarbeiter im Düsseldorfer Büro) für die Mitwirkung bei der Erstellung des Beitrags.

Dr. Kerstin Seeger 

Rechts­an­wäl­tin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Kerstin Seeger berät Arbeitgeber in erster Linie zur Ver­trags­ge­stal­tung, zur Führung von Kün­di­gungs­schutz­rechts­strei­tig­kei­ten sowie zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fragen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Datenschutz".
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