Spätestens seit der Entscheidung des BAG zur Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und der dazu erfolgten Diskussion ist klar: Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit. Nicht jede erfasste Arbeitsstunde muss auch (gleichermaßen) vergütet werden (vgl. hierzu unseren Blogbeitrag vom 8. März 2023). Mit der Frage der Vergütung von Arbeitszeit hatte sich kürzlich auch das LAG Nürnberg im Zusammenhang mit Wege- und Umkleide- sowie Körperreinigungszeiten zu befassen (Az. 7 Sa 275/22).
Der Fall
Der Kläger ist bei der Beklagten als Containermechaniker angestellt. Seine tägliche Arbeit beginnt stets damit, dass der Kläger sich in die Umkleide auf dem Gelände der Beklagten begibt und sich die von der Beklagten bereitgestellte Schutzkleidung anzieht. Anschließend begibt sich der Kläger zu dem sich in demselben Gebäude befindlichen Zeiterfassungsterminal, loggt sich dort ein und gibt den Beginn seines Arbeitstages ein. Nach Beendigung seiner Tätigkeit, im Rahmen derer er regelmäßig sehr schmutzig wird, kehrt er zurück zur Umkleide, legt seine Schutzkleidung zur Reinigung durch seinen Arbeitgeber ab und duscht sich. Am Zeiterfassungsterminal gibt er wieder selbst das Ende seiner Arbeitszeit ein.
Hinsichtlich der Erfassung seiner Arbeitszeit ist der Kläger durch die Beklagte angehalten, im Zeiterfassungsterminal weder die Umkleidezeit bei Arbeitsbeginn noch die Umkleide- und Reinigungszeiten nach Verrichtung seiner Arbeit zu erfassen.
Mit seiner Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg (Az. 9 Ca 5217/20) verlangte der Kläger eine zusätzliche Vergütung für Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten im Umfang von täglich 55 Minuten. Das Arbeitsgericht Nürnberg sprach dem Kläger entsprechende Vergütungsansprüche mit der Begründung zu, dem Kläger stehe zusätzliche Vergütung für die fremdnützige Tätigkeit des Umkleidens zu Schichtbeginn und zu Schichtende und des Reinigens, jedoch lediglich im Umfang von insgesamt 20 Minuten täglich zu. Im Übrigen wies es die Klage ab. Hiergegen legten sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung ein.
Entscheidung des LAG Nürnberg – Umkleide-, Wege-, aber auch Körperreinigungszeiten können vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen
Das LAG Nürnberg bestätigte nun überwiegend die Entscheidung des Arbeitsgerichts Nürnberg und bejahte einen entsprechenden Vergütungsanspruch des Klägers zumindest teilweise in Höhe von insgesamt 21 Minuten zu. Das LAG Nürnberg stützte den Vergütungsanspruch des Klägers auf § 611a Abs. 2 BGB, der die Vergütungspflicht des Arbeitgebers regelt. Zur vergütungspflichtigen Arbeitsleistung zähle nach Ansicht des LAG nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene.
Vor diesem Hintergrund seien die Umkleidezeiten zu vergüten, da der Kläger vor Arbeitsaufnahme die Umkleide aufsuchen müsse, um die Schutzkleidung dort anzuziehen, und am Ende des Arbeitstages diese aufsuchen müsse, um die Schutzkleidung zur Reinigung abzugeben. Dasselbe gelte für die innerbetrieblichen Wegezeiten, da diese dadurch veranlasst seien, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht direkt am Arbeitsplatz ermögliche, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle eingerichtet habe, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen müsse.
Zuletzt zählten aber auch die Körperreinigungszeiten, also das Duschen bzw. Waschen nach verrichteter Arbeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Das LAG begründete dies damit, dass der Kläger auf Weisung der Beklagten Arbeiten erledige, die mit einer erheblichen Verschmutzung seines Körpers einhergingen, die deutlich über das Verunreinigungsmaß hinausginge, das üblicherweise im Privatleben anfalle. Es sei dem Kläger nicht zumutbar, in diesem Verunreinigungszustand seine private Kleidung anzuziehen. Die Körperreinigung sei damit notwendiger Bestandteil der vom Kläger geschuldeten Arbeit und daher fremdnützig. Das LAG stellte weiterhin fest, dass die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten sowie die Wege vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte des Klägers und zurück Arbeitszeit darstellten und als solche dem Kläger von der Beklagten zukünftig zu bezahlen seien.
Fazit
Die Frage, ob Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten darstellen, ist nicht neu. Das BAG hat diese Frage zumindest für Wege- und Umkleidezeiten in der Vergangenheit schon mehrfach bejaht (z.B. Az. 5 AZR 168/16).
Ob und in welchem Umfang Körperreinigungszeiten nach der Arbeit vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen, hat das BAG bislang jedoch noch nicht entschieden. Dies könnte sich nun jedoch ändern. Die Revision ist derzeit beim BAG anhängig (Az. 5 AZR 212/23). Sobald es hierzu eine Entscheidung gibt, werden wir wieder berichten. Unabhängig von der Entscheidung des BAG zeigt sich jedoch einmal mehr, dass Arbeitgeber gut beraten sind, die Tätigkeiten, die ihre Arbeitnehmer rund um ihre eigentliche Tätigkeit erledigen, genauestens auf Fremd- bzw. Eigennützigkeit zu prüfen und sich ergebende Gestaltungsräume zu nutzen.