Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wird von Betrieb zu Betrieb anders gelebt. Kommt es zu Pflichtverletzungen seitens des Betriebsrates, sind die Sanktionsmöglichkeiten für Belegschaft und Arbeitgeber begrenzt und die rechtlichen Hürden hoch, jedoch nicht unüberwindbar wie eine jüngere Entscheidung des Arbeitsgerichts Elmshorn zeigt.
In unserem Blogbeitrag vom 11. Dezember 2023 hatten wir bereits darüber berichtet, dass bei groben Pflichtverletzungen des Betriebsrats kein Stufenverhältnis nach § 23 Abs. 1 BetrVG gegeben ist, wenn sowohl der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat als auch die Auflösung des Betriebsrats in Betracht kommen. Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgericht Elmshorn fügt dem eine weitere Nuance hinzu. Kann der Auflösungsantrag künftig auch auf die Gesamtschau mehrerer Pflichtverstöße gestützt werden, ohne dass diese für sich genommen eine Auflösung rechtfertigen?
Grundlagen
Ein Betriebsrat kann gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG auf Antrag durch das Arbeitsgericht aufgelöst werden, wenn er objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend gegen seine gesetzlichen Pflichten verstößt. Eine grobe Pflichtverletzung ist nach ständiger Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsrates untragbar erscheint.
Die Rechtsprechung hat grobe Pflichtverletzungen beispielsweise angenommen bei (i) erheblichen Verstößen gegen das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit, (ii) der Veröffentlichung von Vergütungsgruppen oder der Vergütungshöhe von Arbeitnehmern am Schwarzen Brett, (iii) einem offensichtlichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus § 75 BetrVG sowie (iv) bei beharrlicher Weigerung zur Zusammenarbeit mit dem zuständigen Personalleiter (siehe auch LAG Düsseldorf löst Betriebsrat auf).
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Elmshorn
Das Arbeitsgericht Elmshorn stellt nunmehr die Gesamtschau mehrerer Pflichtverstöße einem erheblichen Pflichtverstoß gleich (Pressemitteilung zu Az. 3 BV 31 e/23). Es entschied am 23. August 2023, dass sich die Untragbarkeit der weiteren Amtsausübung eines Betriebsrats auch aus der Gesamtschau mehrerer Pflichtverstöße ergeben könne, selbst wenn einzelne Verstöße für sich genommen noch keine Auflösung rechtfertigen.
Im zugrundeliegenden Fall hatte sich der Betriebsrat unter anderem (i) auf eine falsche Versicherung an Eides statt berufen, (ii) bezahlte Freistellung über den gesetzlich vorgesehenen Umfang hinaus in Anspruch genommen, (iii) mit einem Großteil des Gremiums an einer Gerichtsverhandlung teilgenommen, (iv) Gesundheitsdaten von Mitarbeitern auf einer Betriebsratsversammlung weitergegeben und (v) quasi eine doppelte Personalakte geführt.
Praxishinweis
Ob Auflösungsanträge künftig auch auf die Gesamtschau mehrerer Pflichtverstöße gestützt werden können, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Elmshorn ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Az. 5 TaBV 16/23) eingelegt worden.
Eine Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung wäre jedenfalls zu begrüßen. § 23 Abs. 1 BetrVG soll sicherstellen, dass Betriebsrat und Arbeitgeber im betrieblichen Geschehen ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens bewahren. Dieses Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens wird jedoch nicht nur bei Vorliegen eines einzigen untragbaren Verstoßes gefährdet, sondern auch dann, wenn eine Vielzahl „kleinerer“ Verstöße zusammentritt.