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Befristung

Zeitliche Obergrenzen für Sachgrundbefristungen

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Befristung

Ob Krankheits-, Mutterschutz- oder Elternzeitvertretung: Sachgrundbefristungen erfreuen sich bei Arbeitgebern großer Beliebtheit. Oftmals schließt sich an ein befristetes Arbeitsverhältnis ein weiteres bei demselben Arbeitgeber an (sog. Kettenbefristung). Bisher waren die zeitlichen und/oder zahlenmäßigen Grenzen, ab wann Arbeitgeber der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Kettenbefristung nach § 242 BGB unterliegen, nicht hinreichend klar. Das Bundesarbeitsgericht (BAG; Urt. v. 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15) liefert nunmehr konkrete Anhaltspunkte, an denen sich Arbeitgeber zur Beurteilung von Einzelfällen künftig orientieren können und müssen.

Der Entscheidung des BAG lag der Fall eines Vertretungslehrers im Fach Sport zugrunde, der von Oktober 2007 bis Februar 2014 an einem städtischen Gymnasium auf Basis von insgesamt 16 befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt war.

Grundsätzliches: Sachgrundbefristung und Rechtsmissbrauchskontrolle

Nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die Befristung eines Arbeitsvertrages – neben der Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG – „zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist“. Auch eine Anschlussbefristung bedarf eines solchen sachlichen Grundes. Darüber hinaus findet der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB bei der Sachgrundbefristung Anwendung. Zur Konkretisierung dieser Generalklausel sind u. a. unionsrechtliche Wertungen zu berücksichtigen, wie § 5 Nr. 1 lit. a EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung befristete Arbeitsverträge. Die Rechtsprechung leitet daraus das grundsätzliche Erfordernis einer Rechtsmissbrauchskontrolle bei Sachgrundbefristungen her (siehe z. B. BAG, Urt. v. 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15). Wie diese für Arbeitgeber und Gerichte vorzunehmen ist, dazu hat sich nunmehr das BAG geäußert.


Klare Vorgabe für Arbeitgeber: Orientierung anhand einer „Rechtsmissbrauchsampel“

Das BAG macht nun in der Entscheidung vom 26. Oktober 2016 klare quantitative Vorgaben, ab wann von einer rechtsmissbräuchlichen Kettenbefristung nach § 242 BGB auszugehen ist. Zu unterscheiden sind danach drei Phasen, sodass eine Art „Rechtsmissbrauchsampel“ entsteht:

Rotes Licht: indizierter Rechtsmissbrauch

Ein hohes Risiko besteht für Arbeitgeber im Bereich des indizierten Rechtsmissbrauchs. Eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Sachgrundbefristung durch den Arbeitgeber sieht das BAG im Regelfall als indiziert an, wenn

  • die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 10 Jahre überschreitet oder
  • mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder
  • mehr als 12 Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als 8 Jahren vorliegen.

Besondere Umstände, für deren Vorliegen der Arbeitgeber dann allerdings beweispflichtig ist, können jedoch einem indizierten Rechtsmissbrauch entgegenstehen.

Gelbes Licht: umfassende Missbrauchskontrolle

Eine umfassende Missbrauchskontrolle ist nach dem Urteil des BAG notwendig, wenn

  • die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 8 Jahre überschreitet oder
  • mehr als 12 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder
  • mehr als 9 Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als 6 Jahren vorliegen.

Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, hängt letztendlich von den Umständen des Einzelfalles ab.

Grünes Licht: kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle

Kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle besteht, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und die Anzahl der Vertragsverlängerungen unter den im gelben Bereich genannten Werten bleiben.

Checkliste weiterer Kriterien

Neben den vorstehenden Werten müssen nach Auffassung des BAG weitere Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens eines Rechtsmissbrauchs herangezogen werden. U. a. können für einen Rechtsmissbrauch folgende Tatsachen sprechen:

  • jahrelange Tätigkeit des Arbeitnehmers auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben;
  • Arbeitnehmer wird trotz vorhandener Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung fortwährend befristet eingestellt;
  • Laufzeit der befristeten Arbeitsverträge bleibt wiederholt hinter der prognostizierten Dauer des Vertretungsbedarfs zurück, ohne dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers erkennbar ist;
  • mittelbare Vertretung und Vertretung nach dem Modell der sog. gedanklichen Zuordnung im Gegensatz zur weniger missbrauchsanfälligen unmittelbaren Vertretung;
  • befristete Arbeitsverhältnisse reihen sich nahtlos aneinander.

Daneben können grundrechtlich geschützte Interessen auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite sowie Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine Rolle spielen.

Kontext der Entscheidung

Das BAG hat sich hinsichtlich der Werte, die der sog. Rechtsmissbrauchsampel zugrunde liegen, an den gesetzlichen Wertungen der sachgrundlosen Befristung in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG orientiert und seine bisherige Rechtsprechung weiter konkretisiert (siehe etwa BAG, 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09, Rn. 48; BAG, Urt. v. 18. Juli 2012 – 7 AZR 783/10, Rn. 43). Nach der Norm ist die sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren bei maximal drei Verlängerungen innerhalb dieser Dauer zulässig. Diese Werte hat das BAG nunmehr für die genannten Obergrenzen jeweils alternativ oder kumulativ verdrei-, -vier- oder ‑fünffacht.

Größere Rechtssicherheit für Arbeitgeber

Das Urteil ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Die nun vorgegebenen – recht großzügigen – Obergrenzen geben eine Orientierung bei der Vertragsgestaltung im Hinblick auf die maximal zulässige Höchstdauer oder Zahl der Vertragsverlängerungen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Konkretisierung des § 242 BGB und damit das Vorliegen eines Missbrauchs eine Wertungsfrage ist, bei der alle Umstände des Einzelfalles umfassend heranzuziehen sind. In besonderen Fällen können sich daher vereinzelt durchaus Abweichungen von den genannten Werten ergeben. Denn die Konkretisierungsvorgaben des BAG können nur Anhaltspunkte für den Einzelfall geben. Arbeitgeber sind daher gut beraten, die nun vorgegebenen Obergrenzen bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.

Dr. Jessica Jacobi 

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Partner
Dr. Jessica Jacobi ist seit 2003 Partnerin der Sozietät. Gemeinsam mit ihrem Team berät sie nationale und internationale Arbeitgeber in allen Fragen des deutschen Arbeitsrechts, wie z.B. bei der Reorganisation von Unternehmen, bei Massenentlassungen und in schwierigen Individualstreitigkeiten inklusive interner Ermittlungen. Sie ist ein aktives Mitglied der International Practice Group für Data Privacy bei unserem internationalen Kanzleinetzwerk Ius Laboris und berät häufig z.B. bei der Einführung neuer technischer Systeme und deren Verhandlung mit dem Betriebsrat, bei Auskunftsansprüchen von Arbeitnehmern nach Art. 15 DS-GVO und bei internationalen Datenübertragungen. Sie ist Autorin einer Vielzahl von Veröffentlichungen und tritt regelmäßig als Referentin auf. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Datenschutz".
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