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Befristung

„Heinz gegen Mainz“ – Die Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts

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Fußball

Anfang des Jahres konnte die Profifußball-Welt aufatmen, jedenfalls die Vereine – Heinz Müller und einige andere Spieler weniger. Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts („BAG“) hat einen Schlussstrich unter das Verfahren Heinz Müller gegen Mainz 05 gezogen und die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem ehemaligen Keeper rechtskräftig für wirksam erklärt (Urteil vom 16.1.2018 – 7 AZR 312/16). Die mit Spannung erwarteten Entscheidungsgründe liegen nunmehr vor. Die vorangegangene Pressemitteilung des BAG hatte naturgemäß einige Fragen offengelassen. So blieb unklar, inwieweit die Entscheidung auf untere Profiligen im Fußball oder andere Sportarten übertragbar ist. Auch blieb offen, wie die Einschränkung zu verstehen ist, wonach eine Befristung nur „regelmäßig“ gerechtfertigt sein soll (wir hatten hier berichtet). Die Analyse der Urteilsbegründung:

Eigenart der Arbeitsleistung und Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses

Das BAG hat – wie bereits das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.2.2016 – 4 Sa 202/15 – auf den Befristungsgrund  „Eigenart der Arbeitsleistung“ (§ 14 Absatz 1 Satz 2 TzBfG) abgestellt. Als Ausgangspunkt stellt der Senat erstmals ausdrücklich klar, dass bei der „Eigenart der Arbeitsleistung“ die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Es kommt also für eine wirksame Befristung wegen der „Eigenart der Arbeitsleistung“ nicht nur auf die spezifisch geschuldete Tätigkeit an. Auch die Besonderheiten der wechselseitigen arbeitsvertraglichen Beziehungen und berechtigten Belange beider Parteien spielen eine Rolle.

Sportliche Höchstleistungen nur für begrenzte Dauer

Daran anknüpfend hebt der Senat als die maßgebliche Besonderheit des Arbeitsverhältnisses hervor, dass Spieler der 1. Bundesliga ihre geschuldete Arbeitsleistung – sportliche Höchstleistungen – nur für einen begrenzten Zeitraum erbringen können. Und der Sport daher nur eine zeitlich begrenzte Existenzgrundlage bildet. Dies stehe bereits zu Beginn der Karriere fest und stelle einen entscheidenden Unterschied zu „normalen“ Arbeitnehmern dar. Bei diesen sei nämlich regelmäßig davon auszuggehen, dass sie ihre Tätigkeit dauerhaft bis zum Rentenalter ausüben können. Hier zeigt sich ein erster Unterschied zur Begründung des LAG Rheinland-Pfalz. Dieses hatte auf die „Ungewissheit der zukünftigen Leistungserbringung“ verwiesen und darunter eine ganze Reihe von Faktoren subsumiert, die eventuell während der aktiven Laufbahn des Spielers eintreten und seine Leistung schmälern können (z.B. Verletzungsgefahr, Trainerwechsel, gruppendynamische Prozesse im Mannschaftssport). Dagegen typisiert das BAG deutlich stärker und wählt einen anderen Anknüpfungspunkt, der sicher eintritt: Den unweigerlichen Leistungsabfall und zwar unabhängig von dessen konkreter Ursache:

Aus der typischerweise fehlenden Möglichkeit eines Lizenzfußballspielers der 1. Bundesliga, die vertraglich geschuldete, für den Profifußballsport unerlässliche (Höchst-)Leistung dauerhaft erbringen zu können, resultiert ein berechtigtes Interesse der Vertragsparteien daran, statt eines unbefristeten Dauerarbeitsverhältnisses ein befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen.

Befristung im Interesse der Vereine und Spieler

Es folgt die Abwägung der berechtigten Belange von Vereinen (und den meisten Spielern) an einer Befristung mit dem Interesse der Spieler an unbefristeten Arbeitsverhältnissen.  Im Ergebnis – so der Senat – überwiegen typischerweise erstere.

Denn für den Erfolg einer Fußballmannschaft sei entscheidend, dass der Trainer sie nach seinem spieltaktischen Konzept zusammenstellen und entwickeln kann. Das erfordert eine  entsprechende rechtliche Flexibilität. Zudem müssten die Spieler für einen gewissen Zeitraum an den Verein gebunden werden, um sie erfolgreich in die Mannschaft integrieren zu können. Beide Aspekte würden durch unbefristete Arbeitsverhältnisse nicht sichergestellt. Vereine könnten sich bei Bedarf kaum einseitig von Spielern trennen. Dagegen könnten wechselwillige Spieler ihr Arbeitsverhältnis jederzeit gegen den Willen des Vereins kündigen.

 Diese Flexibilisierung unter gleichzeitigem Zusammenhalt des Spielerkaders lässt sich nur durch den Abschluss befristeter Arbeitsverträge verwirklichen.“

Anders als das LAG Rheinland-Pfalz misst das BAG strukturellen Gesichtspunkten deutlich größere Bedeutung bei:

  • Die Befristungspraxis liege auch im Interesse der Spieler. Denn durch die Beendigung befristeter Verträge in anderen Vereinen würden überhaupt erst Beschäftigungsmöglichkeiten frei, die es Spielern ermöglichen, zu anderen Mannschaften zu wechseln und so ihre Karriere voranzutreiben.
  • Vereine und Spieler sind in ein internationales Transfersystem mit festgelegten Wechselperioden und erheblichen Ablösezahlungen für vorzeitige Vereinswechsel eingebunden. Dieses System beruht essentiell auf befristeten Spielerverträgen. Könnten Spieler jederzeit ordentlich kündigen, nähme das den Vereinen die Möglichkeit, die Kosten für die Ausbildung eines Spielers durch Ablösesummen zu refinanzieren. Dies würde Ausbildungsbereitschaft der Vereine und Entwicklungsmöglichkeiten für Spieler negativ beeinflussen. Gleichzeitig würden ausbleibende Ablösesummen die Finanzkraft der Vereine und damit die Verdienstmöglichkeiten der Spieler schmälern.

Keine unmittelbare Rolle in der Urteilsbegründung des BAG spielen „Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur“, „Abwechslungsbedürfnis des Publikums“ sowie die außergewöhnliche Höhe der Spielergehälter. Auch insoweit unterscheiden sich die Begründungen von BAG und LAG Rheinland-Pfalz.

Übertragbarkeit der Entscheidung auf andere Sachverhalte

Sowohl in seinen Orientierungssätzen als auch in der Urteilsbegründung bezieht sich der Senat konsequent auf „Spieler der 1. Bundesliga“. Ausdrückliche Hinweise, ob bzw. inwieweit das Urteil auf andere Bereiche übertragbar sein könnte, kommen vom BAG nicht.

Allerdings dürften die tragenden Erwägungen der Entscheidung insbesondere auch für untere Fußball-Profiligen sowie andere Mannschaftssportarten gelten. Denn es ist keine exklusive Besonderheit der 1. Bundesliga, dass Profisportler Höchstleistungen schulden und diese naturgemäß nur begrenzt erbringen können. Vielmehr werden von allen Profisportlern Höchstleistungen verlangt. Die vom BAG vorgenommene Interessenabwägung sowie seine strukturellen Argumente beziehen sich auch nicht ausschließlich auf Eigenarten der höchsten Spielklasse im Fußball. Auch nachfolgende Fußball-Profiligen sind in das internationale Transfersystem eingebunden. Vergleichbare Systeme bestehen in anderen Mannschaftssportarten (Handball, Basketball, Eishockey etc.). Entsprechend sind bereits Entscheidungen durch Instanzgerichte ergangen, die eine Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen der „Eigenart der Arbeitsleistung“ auch für andere Profisportler zulassen (im Fußball für die Regionalliga West:  ArbG Köln, Urteil vom 19.10.2017 – 11 Ca 4400/17 , für die 2. Bundesliga im Handball: LAG Thüringen, Urteil vom 20.12.2016).

Wesentliche Unterschiede bestehen letztlich nur bei den Spielergehältern. Man kann jedoch davon ausgehen, das BAG hat diesen Aspekt bewusst nicht thematisiert. Denn die Höhe der Vergütung ist für die „Eigenart der Arbeitsleistung“ von Profisportlern nicht relevant.

 „Regelmäßig“

Es bleibt die Frage, warum diese Grundsätze nur „regelmäßig“ gelten und in welchen Fällen eine Befristung nicht zulässig sein soll. Ein Beispiel nennt das BAG selbst:

Etwas anderes kann allenfalls in Ausnahmefällen gelten, etwa dann, wenn die vereinbarte Vertragslaufzeit zu einem Zeitpunkt endet, zu dem der Lizenzspieler nach den Transferbestimmungen nicht zu einem anderen Verein wechseln kann.

Somit können Befristungen unwirksam sein, wenn sie außerhalb der „Transferfenster“ auslaufen. Dies sollten Vereine bei der Vertragsgestaltung beachten.

Fazit

Sowohl Ergebnis als auch Begründung des BAG überzeugen. Das BAG dampft die Vielzahl der vom LAG Rheinland-Pfalz angeführten – und teilwiese zurecht kritisierten – Argumente deutlich ein. Und reduziert die Prüfung zur „Eigenart der Arbeitsleistung“ auf zwei wesentliche Punkte:

  1. Zeitlich begrenzte Möglichkeit, sportliche Höchstleistungen zu erbringen als Besonderheit des Arbeitsverhältnisses.
  2. Interessenabwägung.

Das ist ein praxisnaher Ansatz, der auch für ähnliche Fälle zu sachgerechten Ergebnissen führt. Andere Möglichkeiten wären ein auf die Bedürfnisse des Profisports zugeschnittenes „Sportarbeitsrecht“ oder zumindest ein entsprechender Befristungstatbestand. Beides dürfte sobald nicht kommen, wird aber für die wirksame Befristung der Arbeitsverhältnisse auch nicht mehr benötigt.

Dr. Markus Bohnau

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Bohnau berät Unter­neh­men aller Branchen insbesondere zu kollektivarbeits­recht­li­chen Themen und verhandelt mit Betriebs­rä­ten sowie Gewerk­schaf­ten, ins­be­son­dere bei (Post-Merger) Umstruk­tu­rie­run­gen und Out­sour­cing-Projekten - auch grenzüberschreitend. Weitere Schwer­punkte sind die arbeits­recht­li­che Begleitung von Trans­ak­tio­nen (inkl. Due Diligence und Har­mo­ni­sie­rung von Arbeits­be­din­gun­gen) sowie die arbeits­recht­li­che Beratung im Profisport, vor allem bei Transfers im Berufs­fuß­ball.
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