Zum zweiten Mal in diesem Jahr verpasst das BAG die Möglichkeit, sich zum Thema „Twitter und Betriebsrat“ zu äußern. Die eigentlich für den 29.07.2020 avisierte Möglichkeit zur Äußerung betreffend der Nutzung von Twitter durch den Betriebsrat wurde durch die Rücknahme der Rechtsbeschwerde seitens des Arbeitgebers vereitelt, eine Entscheidung blieb aus (Pressemitteilung des BAG). Zuvor sollte es bereits im Februar 2020 eine Entscheidung des BAG zur Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Tweets des Arbeitgebers geben (dazu unser Beitrag „Darf der Betriebsrat bei „tweets“ mitbestimmen?“). Diese blieb jedoch aufgrund der fehlenden Antragsbefugnis des Gesamtbetriebsrates ebenfalls aus.
Um was ging es im aktuellen Fall?
Twitter erfreut sich nicht nur bei Präsidenten, Promis oder Anwaltskanzleien großer Beliebtheit, sondern auch bei dem Betriebsrat einer Klinik. Dieser Betriebsrat unterhielt einen eigenen Twitter-Account und nutzte diesen als eine Art „schwarzes Brett“, um Mitarbeiter auf diesem Wege zu informieren.
So twitterte der Betriebsrat unter anderem:
„Einigungsstelle #Urlaub abgeschlossen, #Urlaubsplan genehmigt. #Newsletter kommt zeitnah in die Bereiche!“
oder
„Arbeitsgericht Gö hat #Einstweilige Verfügung (3 BVGa 1/17) zurückgewiesen. Wir twittern weiter!“
Gegen diese und ähnliche Äußerungen sowie die Nutzung des Accounts allgemein hatte der Arbeitgeber ein Beschlussverfahren eingeleitet. Er vertrat die Auffassung, der Betriebsrat verstoße mit der Nutzung des Twitter-Accounts gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, da er sich wiederholt zu betrieblichen Angelegenheiten geäußert habe, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Zudem sei der Twitter-Account nicht zur Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats notwendig. Der Betriebsrat konterte mit dem Argument, der Twitter-Account diene nicht zur Unterrichtung der Öffentlichkeit, sondern sei vielmehr eine – moderne – Form der Unterrichtung der Belegschaft, sozusagen das schwarze Brett 2.0.
Die Entscheidungen der Instanzgerichte
Die Entscheidung des BAG war vor allem deshalb mit Spannung erwartet worden, da sich das Arbeitsgericht Göttingen (Beschluss vom 06.11.2017 – Az. 3 BV 5/17) für ein Twitter-Verbot des Betriebsrats ausgesprochen hatte, sofern es sich um betriebliche Angelegenheiten handelt, zu denen sich der Arbeitgeber zuvor noch nicht öffentlich geäußert habe.
Hingegen hielt das LAG Niedersachen (Beschluss vom 06.12.2018 – Az. 5 TaBV 107/17) ein solches Verbot sodann nicht für zulässig, denn auch der Betriebsrat habe grundsätzlich ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Das LAG ging also auf die spannende Frage der Grundrechtsfähigkeit eines Betriebsrates ein. Da ein Betriebsrat zur eigenständigen Willensbildung und zu eigenem Handeln fähig sei, könne er sich, so das LAG, auch auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Die eigentlich aufgeworfenen Fragen blieben allerdings offen, da das LAG die Arbeitgeberanträge sodann aus formellen Gründen ablehnte; in den unpräzise formulierten Anträgen des Arbeitgebers sah das LAG sogenannte Globalanträge.
Praxistipp
Wir müssen also weiter auf die erste Twitter-Entscheidung des BAG warten. Für Arbeitgeber bleibt Twitter ein heißes Thema, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber selbst oder der Betriebsrat twittert. Im Sinne der vertrauensvollen Zusammenarbeit sollten sich die Betriebsparteien, insbesondere bei noch nicht öffentlich bekannten betrieblichen Angelegenheiten, abstimmen, sodass diese Informationen nicht auf Twitter vorveröffentlicht werden. Denn eine vorzeitige oder unvollständige Veröffentlichung kann für den Betrieb negative Folgen haben, was wohl für beide Betriebsparteien nicht wünschenswert sein kann.