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Betriebsratswahl: Der Grundsatz der Verhältniswahl und die Bedeutung der Listenbildung

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Zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2022 werden im ganzen Land die neuen Betriebsräte gewählt. Nicht nur unter dem Einfluss der Corona-Pandemie, auch durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz kommen auf Arbeitgeber neue Herausforderungen zu – auf die wir Antworten finden. In diesem Artikel geht es um den Grundsatz der Verhältniswahl. Wir werfen einen Blick auf die Listenbildung.

Die Betriebsratswahl erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, sofern nicht ausnahmsweise die Grundsätze der Mehrheitswahl zur Anwendung gelangen. Letzteres ist der Fall, wenn nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird oder der Betriebsrat im vereinfachten, d.h. lediglich zweistufigen, Wahlverfahren nach § 14a BetrVG zu wählen ist. Auch wenn der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens nach §14a BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz erweitert wurde – da dieses Verfahren nunmehr in Betrieben mit in der Regel bis zu 100 (und nicht mehr nur 50) wahlberechtigten Arbeitnehmern obligatorisch ist und somit die Betriebsratswahl häufiger im Wege der Mehrheitswahl durchzuführen sein wird – bleibt es doch im Grundsatz bei der Verhältniswahl.

Ablauf des allgemeinen Wahlverfahrens nach den Grundsätzen der Verhältniswahl – Fokus auf der Listenbildung

  • Nach Bestellung des Wahlvorstands und Erstellung der Wählerliste leitet der Wahlvorstand durch den Erlass und Aushang des Wahlausschreibens sowie der Wählerliste die Betriebsratswahlen ein. Das muss spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe erfolgen.
  • Binnen zwei Wochen ab Einleitung der Wahl haben die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Möglichkeit, Vorschlagslisten beim Wahlvorstand einzureichen.
  • Der Wahlvorstand hat die Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten.
  • Im Gegensatz zu unheilbaren Mängeln können heilbare Mängel nach der Beanstandung binnen einer Frist von drei Arbeitstagen noch beseitigt werden. Die unheilbaren Mängel sind in § 8 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO) aufgelistet. Dazu zählt beispielsweise eine nicht fristgerecht eingereichte Vorschlagsliste. Ein heilbarer Mangel ist dagegen etwa die fehlende Zustimmung eines Kandidaten oder einer Kandidatin zur Aufnahme in die Vorschlagsliste (vgl. § 8 Abs. 2 WO).
  • Nachdem sodann die für die Einreichung der Vorschlagslisten gesetzte Ausschlussfrist bzw. die zum gleichen Zweck gesetzte etwaige Nachfrist sowie etwaige Berichtigungsfristen abgelaufen und innerhalb dieser Fristen gültige Vorschlagslisten eingegangen sind, bestimmt der Wahlvorstand die Reihenfolge der Ordnungsnummern für die eingereichten gültigen Vorschlagslisten. Die Reihenfolge wird durch Losentscheid seitens des Wahlvorstands ermittelt, wozu die Listenvertreter einzuladen sind.
  • Spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe hat der Wahlvorstand die als gültig anerkannten Vorschlagslisten bis zum Abschluss der Stimmabgabe in gleicher Weise bekannt zu machen wie das Wahlausschreiben.
  • Die wahlberechtigten Arbeitnehmer wählen sodann, sofern zwei oder mehr gültige Vorschlagslisten vorliegen, eine dieser Listen als solche – ohne einzelne Kandidaten oder Kandidatinnen zu streichen oder andere hinzuzusetzen. Dabei hat jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer eine Stimme unabhängig von der Anzahl der zu wählenden Vertreter. Die Zuteilung der Sitze erfolgt dann nach dem d’Hondt’schen System.

Taktische Erwägungen

Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern sollten abwägen, ob sie mit dem Wahlvorstand die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren, wonach die Wahl zwingend nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl abzulaufen hat. Beide Verfahren bringen Vor- und Nachteile mit sich. Während bei der Mehrheitswahl, bei der die wahlberechtigten Arbeitnehmer ihre Stimmen auf einzelne Kandidaten und Kandidatinnen verteilen, vor allem Persönlichkeiten und Sympathien in den Vordergrund rücken, stehen bei der Verhältniswahl vielmehr Interessengruppen im Fokus. Die Betriebsratswahl dreht sich somit häufiger um Inhalte. Durch die Verteilung über das d’Hondt’sche System sind verschiedene Interessengruppen gleichmäßig vertreten. Zudem führt das System regelmäßig zu klaren Mehrheiten. Dabei ist es von Vorteil, wenn mehr als zwei Listen zum Zuge kommen. Schließlich erleichtert dies die Koalitionsbildung und führt dazu, dass nicht regelmäßig eine Seite Zünglein an der Waage spielt. Beeinflussen kann der Arbeitgeber dies indes nicht, auch wenn er die Interessengruppen im Vorfeld – dann aber auch in gleichem Maße – unterstützen kann.

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