Nicht selten üben Arbeitnehmer Kritik an ihren Arbeitgebern. Wird dabei die Grenze polemischer und überspitzter Kritik überschritten und steht daher allein die Diffamierung einer Person im Vordergrund, kann der Arbeitgeber dieses Fehlverhalten in der Regel mit einer außerordentlichen Kündigung ahnden.
Die Hürden für eine Arbeitgeberkündigung, die auf die Schmähkritik eines Arbeitnehmers gestützt wird, sind (zu) hoch. Wie eine Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern zeigt, jedoch nicht unüberwindbar.
Der Fall
Der Kläger war seit dem 1. März 2019 im (Franchise-)Restaurant der Beklagten als Pasta-/Pizzabäcker beschäftigt. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger mehrfach abgemahnt, u. a. wegen einer erfolglosen Beschwerde an das Landesamt für Gesundheit und Soziales. Im Oktober 2021 wandte sich der Kläger mit einer E-Mail nebst Klageentwurf an die Franchisegeberin der Beklagten und erhob unter Androhung einer Zahlungsklage schwere Vorwürfe gegenüber der Geschäfts- und Betriebsleitung der Beklagten. Diesen warf er in vielen Fällen vertragswidriges Handeln sowie Gesetzesverstöße vor, die Verletzung seiner grundlegenden Arbeitnehmerrechte, Gesundheit, Würde und Menschenrechte. Mit einer weiteren E-Mail, die ebenfalls u.a. an die Franchisegeberin adressiert war, führte er aus: „Ich möchte Ihnen versichern, dass ich diese Woche die Klage vor das Arbeitsgericht schicke und Sie sich neben anderen Verstößen für den Menschenhandel verantworten werden.“ Unter dem 26. Oktober 2021 hat der Kläger die angekündigte Zahlungsklage beim Arbeitsgericht eingereicht.
Von den vorstehenden E-Mails erhielt die Beklagte am 25. Oktober 2021 Kenntnis und kündigte daraufhin mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Nachdem der Kläger in erster Instanz dem Arbeitsgericht Stralsund obsiegte, legte die Beklagte Berufung gegen das Urteil ein.
Die Entscheidung des LAG
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Kündigung sei wirksam, es liege ein tragender wichtiger Grund vor, welcher es der Beklagten nach der durchzuführenden Interessenabwägung unmöglich gemacht habe, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
Es liege ein Fehlverhalten des Klägers gegenüber der Beklagten sowie seinem Vorgesetzten vor, welches einen Kündigungsgrund „an sich“ bilde. Bei seinen Äußerungen handle es sich auch nicht um von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungen, sondern vielmehr um Schmähkritik. Er habe gegenüber Dritten im Rahmen seiner E-Mails eine Vielzahl schwerwiegender Vorwürfe, u.a. Begehung von Gesetzesverstößen und von schweren Straftaten sowie der Diskriminierung aus sozialen oder ethnischen Gründen bzw. wegen des Alters, gegenüber der Geschäftsleitung bzw. der Beklagten erhoben. Es lägen schwerwiegende Ehrverletzungen vor, die der Kläger auf keinerlei Tatsachenvortrag stütze bzw. stützen könne. Damit lägen im groben Maße unsachliche Angriffen vor, welche die Beklagte, soweit ihre Person betroffen ist, nicht hinnehmen müsse und gegen die sie, soweit die Geschäfts- bzw. die Betriebsleitung angegriffen wird, zu deren Schutz eingreifen dürfe bzw. eingreifen müsse. Ebenso müsse die Beklagte den erhobenen Vorwurf der Ausbeutung und des Menschenhandels nicht auf sich beruhen lassen und ihn reaktionslos hinnehmen. Es gehe dem Kläger allein um die Diffamierung der Beklagten und ihrer Betriebsleitung. Die Unterstellung krimineller Machenschaften wie z.B. Menschenhandel stelle eine grobe Beleidigung dar. Der Kläger habe mit Erhebung dieser Vorwürfe seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Beklagten im groben Ausmaß verletzt.
Bei derartig schwerwiegenden Vertragsverletzungen sei eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Es sei vielmehr vom Erfordernis der Abmahnung abzusehen und davon auszugehen, dass das pflichtwidrige Verhalten das für das Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört habe. Der Kläger habe aufgrund der erhobenen Vorwürfe nicht mehr ernsthaft damit rechnen können, die Beklagte werde sein Verhalten tolerieren. Die von dem Kläger benutzten Formulierungen würden sich als derart schwerwiegende Verhaltensweisen darstellen, dass objektiv und zudem für den Kläger erkennbar nicht von einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit der Parteien ausgegangen werden könne.
Auch die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der sozialen Situation des Klägers falle zu seinen Lasten aus. Hinsichtlich der bestehenden Unterhaltspflichten sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Belastungen des Arbeitsverhältnisses durch sein eigenes Verhalten hervorgerufen und dabei seine Unterhaltsverpflichtungen selbst in den Hintergrund gestellt habe.
Fazit
Mit seiner Entscheidung zeigt das LAG Mecklenburg-Vorpommern erfreulicherweise auf, wo Arbeitnehmer die Grenze der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit überschreiten und sich deren Äußerungen vielmehr als unzulässige Schmähkritik darstellen. Es bleibt zu hoffen, dass andere Gerichte dem gleich tun – denn wie die erstinstanzliche Entscheidung zeigt, überwiegt in ähnlich gelagerten Fällen noch häufig der Arbeitnehmerschutz dem des Arbeitgebers. So sind es auch nicht die Arbeitsgerichte, die die Frage zu beantworten haben, wie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit trotz polemischer und überspitzter Kritik im Arbeitsalltag noch aussehen kann.