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Wird das Arbeitsrecht künftig unbürokratischer?

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Mit dem Ziel, das Wirtschafts- und Wohlstandsmodell Deutschland zukunftssicher zu machen, hat das Bundeskabinett die Eckpunkte für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) beschlossen. Unnötige bürokratische Belastungen sollen abgebaut werden. Doch welche Konsequenzen hat dies für die HR-Praxis im Unternehmen?

Ein Kernelement des Eckpunktepapiers zum BEG IV ist die Förderung des digitalen Rechtsverkehrs. Dazu soll statt bisher die Schriftform zukünftig die elektronische Form oder, wenn geeignet, die Textform zum Standard werden. Doch wo liegt nochmal genau der Unterschied? Während bei der Schriftform (§ 126 BGB) der Vertrag schriftlich verfasst und eigenhändig mittels Namensunterschrift unterzeichnet werden muss (d.h. „Tinte auf Papier“), reicht für die Textform (§ 126b BGB) auch z.B. eine E-Mail aus. Die elektronische Form (§ 126a BGB) dagegen erfordert eine qualifizierte elektronische Signatur, die neben einer sicheren Signaturerstellungseinheit die Inanspruchnahme eines unbeteiligten, staatlich überwachten Vertrauensdiensteanbieters erfordert.

Für die Formerfordernisse im Arbeitsrecht könnte es zukünftig nun mit dem BEG IV zu folgenden Neuerungen kommen:

Nachweisgesetz

Im vergangenen Jahr sorgte die Neufassung des Nachweisgesetzes für viel Aufregung. Ein maßgeblicher Kritikpunkt: Das Schriftformerfordernis für wesentliche Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis  – elektronische Form ausgeschlossen! Diese Regelung in § 2 Abs. 1 NachweisG, die eine erhebliche Mehrbelastung für Unternehmen bedeutet, soll mit dem BEG IV nun angepasst werden.

Zum Hintergrund: Bisher gilt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, gegenüber dem Arbeitnehmer seine wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, diese eigenhändig zu unterzeichnen und auszuhängen. Diese Verpflichtung entfällt nur für den Fall, dass der Arbeitsvertrag die Schriftform wahrt (d.h. „Tinte auf Papier“) und die in § 2 Abs. 5 NachweisG genannten Angaben enthält.

Künftig soll die Verpflichtung der schriftliche Niederlegung auch dann entfallen, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen wurde. Entsprechendes soll für in elektronischer Form geschlossene Änderungsverträge bei Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen gelten. Ausgenommen werden sollen die Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige nach § 2a Absatz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.

Unklar bleibt dagegen, ob das BEG IV sich auch auf die grundsätzlich erforderliche schriftliche Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen, die außerhalb des Arbeitsvertrages erfolgt, erstrecken wird und dort das Schriftformerfordernis durch die elektronische Form ersetzt werden könnte.

Arbeitszeugnis

Auch Arbeitszeugnisse müssen bisher die Schriftform wahren. Auch hier ist die elektronische Form ausdrücklich ausgeschlossen (§ 630 Satz 3 BGB bzw. § 109 Abs. 3 GewO). Begründet wurde dies bei Einführung der Vorschrift im Jahr 2001 damit, dass das in der Schriftform liegende bessere Erscheinungsbild betont werden sollte, solange sich die Möglichkeit elektronischer Bewerbungen nicht verbreitet hatte. Dieses Argument hat sich in Zeiten von Bewerbungen per E-Mail und über Bewerbungsportale überholt. Insoweit verwundert es nicht, dass in Zukunft Zeugnisse auch elektronisch ausgestellt werden können sollen.

Anträge nach dem BEEG

Das Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit soll durch die Textform ersetzt werden.

Neuerungen im Arbeitszeitgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetz

Auch im Arbeitszeitgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz sollen vermehrt übliche Informations- und Kommunikationstechnik (etwa das Intranet) genutzt werden, sofern alle Beschäftigten freien Zugang zu den Informationen haben, und im Verwaltungsverfahren soll die elektronische Form genutzt werden können.

Beendigung von Arbeitsverhältnissen – sind auch hier Neuerungen in Sicht?

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen unterliegt (bislang) ebenfalls besonderen Formanforderungen: Die Wirksamkeit sowohl von Kündigungen als auch von Aufhebungsverträgen setzt die Schriftform voraus. Dies gilt unabhängig davon, wer die Kündigung ausspricht, ob es sich um eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung handelt oder ob es eine Beendigungs- oder Änderungskündigung ist. Das Erfordernis ist weder individualvertraglich noch kollektivrechtlich abdingbar.

Anhand des bislang vorliegenden Eckpunktepapiers ist noch unklar, ob das BEG IV auch Auswirkungen auf das Schriftformerfordernis in diesem Bereich haben wird. Im Mietrecht etwa soll es künftig möglich sein, eine schriftliche Kündigung zu fotografieren und die elektronische Kopie dem Erklärungsempfänger zu übersenden. Die besondere Beweisfunktion der Schriftform soll dadurch gewahrt werden, dass dem Erklärungsempfänger das Recht eingeräumt wird, die Originalurkunde nachträglich zu verlangen. Denkbar ist dies auch im Arbeitsrecht – wahrscheinlicher ist jedoch, dass aufgrund der „Besonderheiten des Arbeitsrechts“, wie es im Eckpunktepapier heißt, das Schriftformerfordernis in vollem Umfang aufrechterhalten wird.

Fazit

Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die Bedeutung des Bürokratieabbaus für den Wirtschaftsstandort Deutschland erkannt hat und nun mit dem Eckpunktepapier zum BEG IV einen Schritt in die richtige Richtung plant.

Gleichzeitig ist nicht außer Acht zu lassen, dass an die elektronische Form technisch hohe Anforderungen gestellt werden. Gerade in kleineren Unternehmen ist zu erwarten, dass der zusätzliche Aufwand gescheut und auch weiterhin die Schriftform das Mittel der Wahl sein wird.

Offen bleiben zudem weitere Ansätze zum Bürokratieabbau wie etwa die Ermöglichung elektronischer Betriebsratswahlen.

Letztlich bleibt abzuwarten, welche der vorstehend dargestellten Eckpunkte tatsächlich den Weg in das BEG IV finden werden.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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