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(Selbst-)Bestellung des Vorstands einer AG zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH

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Häufig werden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften auch zu Geschäftsführern von Tochter-GmbHs berufen. Dies wirft in der Praxis mitunter die Frage auf, wer die GmbH bei der Bestellung des Geschäftsführers vertritt, wenn der zu bestellende Geschäftsführer zugleich Vorstandsmitglied der Alleingesellschafterin ist. Eine neue Entscheidung des BGH beseitigt einige Unklarheiten.

Grundsatz: Die Gesellschafterversammlung der GmbH bestellt die Geschäftsführer

Für die Bestellung (und Abberufung) von Geschäftsführern der GmbH ist nach § 46 Nr. 5 GmbHG im Ausgangspunkt die Gesellschafterversammlung der GmbH zuständig. In ständiger Rechtsprechung erstreckt der BGH die Kompetenz der Gesellschafterversammlung dabei auch auf die dienstvertraglichen Regelungen der GmbH mit dem Geschäftsführer (sog. Annexkompetenz). Ist eine Aktiengesellschaft alleinige Gesellschafterin einer GmbH, wird die AG vorbehaltlich abweichender Regelungen durch ihren Vorstand in der Gesellschafterversammlung der GmbH vertreten. Die Vorstandsmitglieder der AG fungieren damit quasi als Sprachrohr der Gesellschafterin der GmbH und nehmen die den Gesellschaftern vorbehaltenen Rechte der GmbH wahr. Als Vertreter der Alleingesellschafterin üben sie damit auch die Rechte nach § 46 Nr. 5 GmbHG aus und entscheiden über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern der Tochter-GmbH.

Keine Zuständigkeit des AG-Aufsichtsrats zur Geschäftsführerbestellung bei Tochter-GmbH

Abweichend von den zuvor genannten Grundsätzen wird in der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung mitunter die Auffassung vertreten, in entsprechender Anwendung des § 112 S. 1 AktG sei der Aufsichtsrat der AG für die Bestellung von Geschäftsführern bei einer Tochter-GmbH zuständig, wenn der zu bestellende Geschäftsführer zugleich Vorstandsmitglied der AG ist. Dadurch würden Interessenkollisionen vermieden und die unbefangene Wahrung von Gesellschaftsbelangen sichergestellt. In der Praxis führte diese Auffassung in der Vergangenheit häufig dazu, dass bei der Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH vorsorglich die Zustimmung oder jedenfalls die Genehmigung des Aufsichtsrats der AG eingeholt wurde.

In einer aktuellen Entscheidung vom 17.1.2023 hat sich der BGH jedoch gegen diese Auffassung gewandt und sich der herrschenden Gegenansicht angeschlossen. Danach ist der Aufsichtsrat nicht zur Entscheidung über die Bestellung des Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH berufen. § 112 S. 1 AktG, nach dem der Aufsichtsrat die AG gegenüber Vorstandsmitgliedern vertritt, sei nicht anwendbar. Denn die Bestellungserklärung der Tochter-GmbH betreffe – so die zutreffende Argumentation des BGH – kein Rechtsgeschäft der AG, sondern einen Organakt der GmbH selbst (vertreten durch die Gesellschafterversammlung). Richtigerweise lehnt der BGH die Anwendung des § 112 S. 1 AktG auch deshalb ab, weil die Bestellung von Geschäftsführern von Tochter-Gesellschaften zu den personalwirtschaftlichen Maßnahmen unterhalb der Vorstandsebene zählt, die zur Leitungskompetenz des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG gehören.

§ 181 BGB verhindert schrankenlose Selbstbestellung

Die Unzuständigkeit des Aufsichtsrats für die Bestellung von Geschäftsführern bei Tochter-GmbHs nach § 112 S. 1 AktG führt jedoch nicht dazu, dass sich Vorstandsmitglieder schrankenlos selbst als Vertreter der Alleingesellschafterin zu Geschäftsführern bei Tochter-GmbHs bestellen könnten. Denn Vorstandsmitglieder, die auf Seiten der Alleingesellschafterin an der Beschlussfassung zur eigenen Bestellung als Geschäftsführer der Tochter-GmbH mitwirken, verstoßen gegen das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 Fall 1 BGB – wenn sie nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind. Auch dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 17.1.2023 ausdrücklich klargestellt. Denn bei der Bestellung zum Geschäftsführer handelt das Vorstandsmitglied im Namen der Mutter-Aktiengesellschaft als für die GmbH die Bestellungserklärung abgebende Alleingesellschafterin. Bei der Annahme des Geschäftsführeramtes handelt das Vorstandsmitglied hingegen im eigenen Namen.

Praxisfolgen

Für die Bestellung eines Vorstandsmitglieds einer AG zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH bleibt die Gesellschafterversammlung der Tochter-GmbH zuständig. Das Mitglied des Vorstandes, das zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH bestellt werden soll, darf bei der Beschlussfassung über seine Bestellung jedoch nicht als Vertreter der Alleingesellschafterin mit abstimmen. Soweit der Vorstand der Mutter-Aktiengesellschaft durch andere Vorstandsmitglieder (ggf. gemeinsam mit einem Prokuristen) ordnungsgemäß vertreten werden kann, dürfte diese Beschränkung praktisch folgenlos bleiben. Gleiches wird für die Abberufung und den etwaigen Abschluss bzw. die Kündigung eines (weiteren) Dienstvertrags gelten. Höchstrichterlich ungeklärt bleibt indes die Frage, wie rechtssicher vorzugehen ist, wenn alle Vorstandsmitglieder den Beschränkungen des § 181 BGB unterliegen. Ob in diesem Fall doch der Aufsichtsrat – quasi durch die Hintertür – zuständig ist oder zunächst ein besonderer Vertreter nach § 105 Abs. 2 AktG bestellt werden muss, konnte der BGH im Beschluss vom 17.1.2023 ausdrücklich offen lassen.

Thorsten Lammers

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Thorsten Lammers berät vor allem zu Kündigungsschutzverfahren, in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen. Er ist Mitglied der Fokusgruppen "Betriebliche Altersversorgung" und "Aufsichtsratsberatung".
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