Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat vor kurzem einen Entwurf zur Bekämpfung von Unternehmenskriminalität vorgestellt. In Teil 1 haben wir erläutert, worum es in diesem Entwurf geht, wie Unternehmensfehlverhalten bisher behandelt wird und welche neuen Sanktionen es geben wird. Im zweiten Teil stellen wir nun vor, ob die Ermittlungsbehörden Verbandsstraftaten verfolgen müssen, ob Sanktionen durch Compliance-Maßnahmen abgemildert werden können und wie sich Unternehmen bereits heute auf die Gesetzesänderung vorbereiten können.
Müssen Verbandsstraftaten nun verfolgt werden?
Ja. Dies soll durch die Einführung des Legalitätsprinzip (Bekannt aus dem Strafrecht – Pflicht der Strafverfolgungsbehörden bei einem möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalt ein Ermittlungsverfahren einzuleiten) sichergestellt werden. Dann ist die Verfolgung von Taten nicht mehr von z.B. der personellen Ausstattung der zuständigen Behörden abhängig und es ist zwingend ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Werden nur Taten in Deutschland erfasst?
In einer globalisierten Welt ist es häufig schwierig Prozesse im Ausland eindeutig von Vorgängen in Deutschland zu separieren. Solange das Unternehmen seinen Sitz in Deutschland hat, sollen daher auch Straftaten im Ausland vom Verbandssanktionsgesetz erfasst werden.
Können Sanktionen durch interne Compliance-Maßnahmen abgemildert werden?
Ja, das neue Verbandssanktionsgesetz eröffnet genau diese Möglichkeit. Hierfür müssen allerdings die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die internen Ermittlungsmaßnahmen haben wesentlich zur Aufklärung beigetragen.
- Die internen Ermittlungen dürfen nicht durch die Strafverteidiger des Unternehmens vorgenommen werden, sondern durch „unabhängige“ Ermittler.
- Während der internen Ermittlungen haben das Unternehmen bzw. die von ihm beauftragten Ermittler uneingeschränkt mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten und das Ergebnis inklusive Abschlussbericht zu teilen.
- Die internen Untersuchungen müssen außerdem den Grundsatz des fairen Verfahrens wahren, d.h. Mitarbeiter müssen vor Befragungen darauf hingewiesen werden, dass ihre Aussagen in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können, es muss die Möglichkeit geben, Beistand in Form eines Anwalts oder Betriebsratsmitgliedes hinzuziehen und es muss auf die Möglichkeit der Auskunftsverweigerung für den Fall der Selbst- oder Angehörigenbelastung i.S.v. 52 StPO hingewiesen werden.
Gibt es Anreize für Investitionen in Compliance-Maßnahmen?
Ja, das Verbandssanktionsgesetz will bewusst Anreize setzen, damit Unternehmen in ihre Compliance-Struktur investieren und präventiv tätig werden. Einerseits können zielführende Compliance-Maßnahmen bei der Höhe von Geldsanktionen Berücksichtigung finden. Andererseits können bestimmte (mildere) Sanktionen nur verhängt werden, wenn es ein Compliance-System bei dem Unternehmen gibt. Weisungen können z.B. erteilt werden, um Schwachstellen im unternehmensinternen Compliance System zu beheben.
Sind Dokumente aus internen Untersuchungen nun vor Beschlagnahme geschützt?
Das bleibt nach dem Entwurf des Verbandssanktionsgesetzes weiterhin unklar. Unternehmen soll zwar der Status eines „Beschuldigten“ eingeräumt werden, sodass grundsätzlich ein Beschlagnahmeschutz für interne Unterlagen gelten dürfte. Allerdings legt der bisherige Entwurf nahe, dass ein solcher Schutz nur für Dokumente gilt, die nach Erlangung des Beschuldigtenstatus erstellt worden sind. D.h. Erkenntnisse aus vorherigen Untersuchungen wären nicht geschützt und könnten von den Ermittlungsbehörden beschlagnahmt werden.
Welche Maßnahmen können Unternehmen schon jetzt ergreifen?
- Zunächst sollte der Gesetzgebungsprozess weiter aufmerksam verfolgt werden, insbesondere, da der bisherige Entwurf einige nicht unstreitige Punkte erfasst, sodass im laufenden Gesetzgebungsprozess durchaus noch mit gewissen Änderungen gerechnet werden darf.
- Unternehmen sollten heute schon die Wirksamkeit ihrer Compliance Programme unter die Lupe nehmen und ggf. notwendige Anpassungen vornehmen.
- Sollte es bisher kein unternehmensinternes Compliance-Programm geben, sollte ein solches – der Größe des Unternehmens und der einschlägigen Themen entsprechendes –Programm eingeführt werden und insbesondere Führungskräfte mit dem Thema Compliance vertraut gemacht werden.
- Eine ausführliche Dokumentation der Compliance Maßnahmen ist zu empfehlen. Insbesondere, da die Möglichkeit geschaffen wurde, Sanktionen durch effektive interne Ermittlungen abzumildern.
- Um Verdachtsmomente zu identifizieren muss eine Kultur des „Fehler machen dürfen – Fehler zugeben – Fehler aufdecken“ etabliert werden. Wenn es Verdachtsmomente gibt, müssen diese sorgfältig untersucht werden und die entsprechenden Schwachstellen identifiziert und geschlossen werden.
- Die Implementierung eines Hinweisgebersystems, sog. Whistleblower (wir berichteten hier zur neuen EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern), kann eine Compliance-Struktur ebenfalls effektiv unterstützen.
- Mit der Erstellung eines „Code of Conduct“ kann den Mitarbeitern die rechtlichen und normativen Orientierung erleichtert werden und in spezifische Risikosituation konstruktive Hilfestellung gegeben werden. Dies kann auch ein wichtiger Schritt sein, um die Thematik für Mitarbeiter greifbarer – und damit in der Umsetzung effektiver – zu machen.
- Neben den präventiven Maßnahmen und der Verinnerlichung der Thematik bei den Mitarbeitern, sollten auch Vorbereitungen für den Fall des Umgangs mit einer Verbandsstraftat erfolgen. Hierzu gehört z.B. der Umgang mit den Ermittlungsbehörden bei einer Durchsuchung.
Fazit
Eine effektive und schlagfertige Compliance Struktur im Unternehmen hilft die Straftaten von morgen zu verhindern, für die nicht nur die Mitarbeiter belangt werden können, sondern für die zukünftig auch das Unternehmen einzustehen hat.