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Unternehmensmitbestimmung – Folgen einer reduzierten Personalstärke auf den mitbestimmten Aufsichtsrat

In Deutschland besteht neben der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung (betriebliche Mitbestimmung) auch die Möglichkeit der Beteiligung der Arbeitnehmer an betriebsübergreifenden Vorgängen in den Organen von Unternehmen (Unternehmensmitbestimmung). Wie bereits in unserem Blogbeitrag vom 14. Mai 2019 über die Grundzüge der Mitbestimmung im Aufsichtsrat ausgeführt, ergibt sich das Recht der Unternehmensmitbestimmung ganz überwiegend aus dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG). Hiernach ist ein Aufsichtsrat zwingend zu bilden und nach den gesetzlichen Vorschriften zu besetzen, sobald das Unternehmen über eine bestimmte Grenze von regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern gelangt. Dabei richtet sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach der Personalstärke bei dessen erstmaligen Bildung. Doch was passiert, wenn sich die Arbeitnehmerzahl und dadurch bedingte andere Mitbestimmungsformen ändern oder eine Mitbestimmungsfreiheit eintritt?

Anwendungsbereich des DrittelbG und MitbestG

Der Mitbestimmungsstatus richtet sich nach den in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer im Unternehmen. In Unternehmen, die als Kapitalgesellschaften (in der Organisationsform der AG, der KGaA, der GmbH, des VVaG und der Genossenschaft) betrieben werden und in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, haben die Arbeitnehmer ein Recht auf Mitbestimmung aufgrund des DrittelbG. Diese Unternehmen haben einen Aufsichtsrat zu bilden, in dem ein Drittel der Mitglieder Arbeitnehmervertreter sein müssen (§§ 1 Abs. 1, 4 DrittelbG). Wird der Wert von mehr als 2.000 regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer überschritten, ist das MitbestG anwendbar und der Aufsichtsrat muss nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 MitbestG paritätisch (gleichwertig) aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammengesetzt werden.

Der Wortlaut des Gesetzes stellt ausdrücklich klar, dass es auf den regelmäßigen Beschäftigtenstand im Unternehmen ankommt. Ob hierzu auch beispielsweise mögliche Neueinstellungen oder ein zukünftig erhöhter Bedarf an Leiharbeitnehmern zählen, ist anhand einer Prognosebetrachtung der Beschäftigungsentwicklung zu bestimmen, wobei der Zeitraum der Prognose streitig ist.

Änderungen der Mitbestimmungsformen: Durchführung eines Statusverfahrens

Verändert sich die Größe des Unternehmens in einer Weise, dass die in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer im Unternehmen unter den Schwellenwert von 2.000 fallen, greift das MitbestG nicht mehr, vielmehr gilt die Drittelbeteiligung nach dem DrittelbG. Auch wenn die weiteren gesetzlichen Grenzwerte für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 7 MitbestG: weniger als 10.000; mehr als 10.000, aber weniger als 20.000; mehr als 20.000 Arbeitnehmer) unterschritten werden, müsste der Aufsichtsrat anders besetzt werden. Trotz Änderung der gesetzlichen Grundlage bleibt es gemäß § 96 Abs. 2 AktG jedoch gleichwohl bei der bisherigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Zur Anpassung der Größe des Aufsichtsrats an die veränderten Verhältnisse ist ein Statusverfahren nach §§ 97 ff. AktG einzuleiten.

Wird die Grenze der Drittelbeteiligung von in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern in Unternehmen durch Personalreduzierung unterschritten, entfallen in der Regel die gesetzlichen Voraussetzungen einer Aufsichtsratspflichtigkeit, wenn nicht die Satzung die Errichtung eines fakultativen Aufsichtsrats vorsieht. Das Unternehmen ist dann mitbestimmungsfrei. Auch in diesem Fall bleibt es bei dem Bestehen des Aufsichtsrats in seiner bisherigen Form (§ 96 Abs. 2 AktG) und ein Statusverfahren ist durchzuführen. Dieses beschränkt sich dabei jedoch auf die Frage, ob keine gesetzliche Aufsichtsratspflichtigkeit mehr besteht.

Welche arbeitgeberseitigen Maßnahmen sind im Statusverfahren zu treffen?

Kommt die Geschäftsführung bzw. der Vorstand zu der Auffassung, die Aufsichtsratspflicht sei entfallen oder der Mitstimmungsstatus habe sich durch die Reduzierung der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer geändert, besteht die Pflicht, dies unverzüglich bekanntzumachen. Die Bekanntmachung muss in den Gesellschaftsblättern, d.h. auf jeden Fall im Bundesanzeiger, erfolgen und hat folgenden Mindestinhalt zu enthalten:

  1.    Fehlerhafte Besetzung/Bestehen eines Aufsichtsrats (§ 97 Abs. 1 S. 1 AktG)
  2.    Zukünftige Zusammensetzung des Aufsichtsrats bzw. dessen Entfall und die maßgebenden gesetzlichen Vorschriften (§ 97 Abs. 1 S. 2 AktG)
  3.    Hinweis, dass der Aufsichtsrat nach diesen Vorschriften „zusammengesetzt“ werde, wenn nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung das zuständige Gericht angerufen werde (§ 97 Abs. 1 S. 3 BGB).

Wirkung der Bekanntmachung

Wird das zuständige Gericht nicht innerhalb eines Monats seit der Bekanntmachung angerufen, treten die Rechtsfolgen der Bekanntmachung ein. Das bedeutet, der Aufsichtsrat setzt sich entweder nach den bekanntgemachten gesetzlichen Vorschriften zusammen (≤ 2000 Arbeitnehmer) oder er entfällt (≤ 500 Arbeitnehmer). Mit dem Ablauf der Anrufungsfrist ändert sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrates bzw. verliert der bisherige Aufsichtsrat seine Existenz.

Wird jedoch innerhalb der Anrufungsfrist ein (formloser) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 AktG gestellt, wird ein gerichtliches Verfahren eingeleitet und die Bekanntmachung verliert jegliche Bedeutung. Das Gericht entscheidet dann über das Bestehen oder die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, wobei eine Änderung erst mit Rechtskraft eintritt.

Fazit

Ändert sich die Personalstärke in einem Unternehmen mit einem mitbestimmten Aufsichtsrat, lohnt sich die Prüfung, ob eine konkrete und nachvollziehbare Personalplanung ergibt, dass die Unterschreitung der Schwellenwerte des DrittelbG und des MitbestG zu einer Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats oder sogar zu einem Verlust der Mitbestimmungsrechte führt. Ausgehend von den Ergebnissen empfehlen wir zu prüfen, ob gegebenenfalls ein Statusverfahren eingeleitet werden kann, sofern kein fakultativer Aufsichtsrat errichtet werden soll.

Lisa Lösch

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Lisa Lösch berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ein besonderer Fokus ihrer Tätigkeit liegt auf der laufenden arbeitsrechtlichen Betreuung von Unternehmen sowie auf der Prozessführung, insbesondere im Bereich des Kündigungsschutzes. Darüber hinaus begleitet sie Arbeitgeber bei Unternehmenstransaktionen – einschließlich der arbeitsrechtlichen Integration – sowie bei Restrukturierungen und der Harmonisierung von Arbeitsbedingungen. Lisa Lösch ist Mitglied der internationalen Ius Laboris Allianz und der Pay and Benefit Expert Group.
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