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„Arbeitnehmer, bitte bleib‘!“ – Wie es gelingen kann, Leistungsträger zu halten

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Um ausgewählte Mitarbeiter zu motivieren, mindestens bis zu einem gewissen Stichtag in ihrem Arbeitsverhältnis zu verbleiben, greifen Arbeitgeber gerne auf sogenannte Halteprämien zurück. In welchem Rahmen diese zulässig sind und warum Arbeitgeber beispielsweise auf eine persönliche Danksagung bei der Gewährung derartiger Sonderzahlungen verzichten sollten, zeigt dieser Beitrag.

Ob Retention Bonus, Treueprämie, Bleibeprämie oder Halteprämie – ungeachtet des Namens der Sonderzahlung handelt es sich jeweils um ein beliebtes Instrument, mit dem insbesondere bei hochqualifizierten Fachkräften bereits erwiesene oder künftige Betriebstreue honoriert wird. Die Prämie wird an den Mitarbeiter ausgezahlt, wenn sein Arbeitsverhältnis bis zu einem bestimmten Stichtag – ggf. auch ungekündigt – fortbesteht.

Häufig werden derartige Prämien auch im Rahmen von Restrukturierungen verwendet, um ein Ausscheiden besonders qualifizierten Personals zu verhindern.

Wichtig: Sonderzahlung ohne jeden Vergütungscharakter

Um den Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, wird die Zahlung der Prämie davon abhängig gemacht, dass das Arbeitsverhältnis am vorgesehenen Stichtag noch besteht. Diese Stichtagsklausel ist in der Praxis allerdings häufig unwirksam. Sie kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht eingesetzt werden, wenn die Prämie jedenfalls auch bereits erbrachte Arbeitsleistung vergüten soll. Denn in diesem Fall werde dem Mitarbeiter bereits erarbeitetes Entgelt entzogen, wenn er vor Eintritt des Stichtags aus dem Unternehmen ausscheidet. Die Stichtagsklausel sei nur zulässig, wenn sie ausschließlich die Betriebstreue honoriere.

Erweist sich die Regelung zur Gewährung einer Halteprämie als unzulässig, haben die betroffenen Mitarbeiter bei einem vorzeitigen Austritt aus dem Unternehmen einen anteiligen („pro rata“) Anspruch auf die Prämie. In einem solchen Fall läuft der vom Arbeitgeber verfolgte Zweck des Retention Bonus ins Leere.

Vordergründig stellt sich bei der Bewertung der Wirksamkeit von Halteprämien daher die Frage, ob mit der Zahlung nur die Betriebstreue belohnt wird oder ob auch Vergütungszwecke verfolgt werden.

Anhand der bisher zu der Thematik ergangenen Rechtsprechung zeigen wir, was Arbeitgeber bei der Gestaltung von Halteprämien beachten sollten:

Was der Arbeitgeber beachten sollte und was möglich ist

  • Zweck der Sonderzahlung angeben: Es sollte deutlich gemacht werden, dass die Prämie ausschließlich vergangene oder künftige Betriebstreue belohnt.
  • Anknüpfung an ein „ungekündigtes oder noch nicht aufgehobenes Arbeitsverhältnis“ am Stichtag: Halteprämien können nicht nur daran anknüpfen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Stichtag fortbesteht. Vielmehr kann der Arbeitgeber auch verlangen, dass das Arbeitsverhältnis zum Stichtag ungekündigt fortbesteht. In diesem Fall entfällt die Zahlung der Prämie, wenn das Arbeitsverhältnis am Stichtag zwar fortbesteht, aber eine Beendigung durch eine vor dem Stichtag erklärte Kündigung bevorsteht. Eine Differenzierung danach, wer die Kündigung ausgesprochen hat und ob sie auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Mitarbeiters liegen, ist nicht erforderlich (aber möglich).
  • Mehrstufige Bindung erlaubt: Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, eine mehrstufige Bindung vorzusehen. Hierbei erhält der Mitarbeiter sukzessive nach vorher festgelegen Stichtagen jeweils sich erhöhende Halteprämien.

Was der Arbeitgeber dagegen unterlassen sollte

  • Mit der Zahlung keine weiteren Ziele verfolgen: Der Arbeitgeber sollte die Sonderzahlung nicht an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele anknüpfen. Denn hieraus ergibt sich nach Ansicht des BAG ein eindeutiger Vergütungscharakter. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Zahlung unabhängig von der individuellen Leistung des Mitarbeiters gewährt werden soll und allein von der gesamten Betriebsleistung abhängig gemacht wird.
  • Höhe des Bonus sollte im Verhältnis zum Gehalt stehen: Der Bonus sollte im Vergleich zum Gehalt des Mitarbeiters nicht zu hoch ausfallen. Denn sonst unterstellt das BAG der Prämie in der Regel einen Mischcharakter. Diese belohnt neben der Betriebstreue auch die Arbeitsleistung. Da die Prämie in diesem Fall zumindest teilweise eine Vergütung darstellt, könne eine Stichtagsklausel nicht wirksam vereinbart werden: Zuletzt erachtete das BAG einen Bonus in Höhe von 15 Prozent der Jahresvergütung bereits als einen grundsätzlich wesentlichen Teil. Wann die Bonushöhe nicht mehr in einem zulässigen Verhältnis zum Gehalt steht, ist – wie so oft – eine Frage des Einzelfalls.
  • Auf Danksagungen verzichten: Persönliche Danksagungen geben der Sonderzahlung zwar noch keinen Vergütungscharakter. Falls die Rechtsnatur der Prämie unklar ist, können sie nach Ansicht des BAG jedoch einen Vergütungscharakter indizieren. Daher raten wir, getreu dem Motto „Vorsicht ist besser als Nachsicht“, auf eine Danksagung für bisher geleistete Arbeit vorsorglich zu verzichten.

Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass – je nach Einzelfall – ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats oder Fragen im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zu prüfen sind.

Insgesamt…

…zeigt sich: Eine Halteprämie mit Stichtagsklausel kann der Arbeitgeber gezielt einsetzen, um Leistungsträger im Unternehmen zu halten. Bei der Ausgestaltung lauern allerdings Tücken, die zur Unwirksamkeit der Stichtagsklausel führen. Nur bei einer genauen Einhaltung der vom BAG entwickelten Kriterien wird der mit der Halteprämie verfolgte Zweck auch erreicht.

Christiane Adam


Rechtsanwältin
Associate
Christiane Adam berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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