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Schadensersatz nach Verwendung von Film- oder Fotoaufnahmen eines Mitarbeiters

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Arbeitgeber nutzen regelmäßig Foto- und Filmaufnahmen von Mitarbeitern im Internet, etwa zur Veranschaulichung des Unternehmensprofils sowie zu Repräsentations- oder Werbezwecken. Werden diese Bildnisse nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einwilligung des Mitarbeiters weitergenutzt, kann dies im Einzelfall „teuer werden“, wie eine jüngere Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zeigt.

Der Arbeitgeber ist nach § 17 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich dazu verpflichtet, sämtliche Bildnisse eines Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu löschen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, kann hierdurch ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausgelöst werden. Überdies stellt die fortgesetzte Nutzung von Bildmaterial über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Recht am eigenen Bild) des betroffenen Arbeitnehmers dar. Der hierdurch entstehende immaterielle Schaden ist nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ersatzfähig. Die Frage der Höhe eines solchen Schadensersatzanspruchs ist Gegenstand zahlreicher Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit. Während die hierzu bislang ausgeurteilten Beträge überwiegend „überschaubar“ blieben, hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einem betroffenen Arbeitsnehmer nun erstmals einen fünfstelligen Betrag zugesprochen (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 27.07.2023 – 3 Sa 33/22).

Maßstab für die Ermittlung der Entschädigungshöhe

Die Festlegung der Entschädigungshöhe orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im medienrechtlichen Kontext. Danach gilt zunächst, dass nicht jedwede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild, einen Anspruch auf Geldentschädigung auslöst. Vielmehr muss ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegen, dessen Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (vgl. BGH vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12). Ob eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung vorliegt, wird anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt. Hierbei sind insbesondere

  • die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und damit das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung,
  • die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten,
  • Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie
  • der Grad seines Verschuldens

zu berücksichtigen. Daneben ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung als Form des immateriellen Schadensersatzes Rechnung zu tragen. Diese besteht in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff, der Prävention sowie der Abschreckung des in das Persönlichkeitsrecht Eingreifenden. Die genannten Faktoren räumen den Gerichten bei der Bemessung der Entschädigungshöhe einen beachtlichen Wertungsspielraum ein.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg

Das LAG Baden-Württemberg sprach dem Arbeitnehmer, dessen Bildnisse vom Arbeitgeber zu Werbezwecken noch über neun Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses genutzt worden waren, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.000,00 Euro zu. Das Arbeitsgericht Pforzheim, das erstinstanzlich lediglich einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000,00 Euro ausurteilte (eingeklagt worden war ein Betrag in Höhe von mindestens 36.000,00 Euro), hatte umfangreich Rechtsprechung zur Bemessung der Höhe eines Entschädigungsbetrags im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Arbeitnehmerbildnissen herangezogen. Diese Rechtsprechung bewegt sich zwischen 300 Euro bei der Veröffentlichung eines Profilbildes auf der Firmenhomepage bis zu 5.000 Euro in einem Extremfall mit diskriminierendem Bezug. Gemessen hieran erreicht die vom LAG Baden-Württemberg nunmehr ausgeurteilte Entschädigungshöhe eine neue Dimension.

Unter Zugrundelegung der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelangte das LAG zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers und in der Folge zur höheren Festsetzung der Geldentschädigung. So führt es zulasten des Arbeitgebers an, dass dieser die Bildnisse noch etliche Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses genutzt habe, obwohl der Arbeitnehmer zuvor mehrfach auf deren Löschung gedrängt hatte. Zudem habe der Arbeitgeber das Bildmaterial zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen mit Gewinnerzielungsabsicht genutzt.

Fazit

Arbeitgeber müssen bei einer Nutzung von Arbeitnehmerbildnissen über das Arbeitsverhältnis hinaus mit Entschädigungszahlungen rechnen. Diese können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch „schmerzhafte“ Beträge erreichen.  Allerdings haben es Arbeitgeber regelmäßig selbst in der Hand, entsprechende Entschädigungszahlungen zu vermeiden oder möglichst gering zu halten. Weigert sich ein Arbeitnehmer, eine Einwilligungserklärung über die fortgesetzte Nutzung seines Bildnisses für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugeben, sollte der Arbeitgeber – wenn er eine Löschung oder Unkenntlichmachung zumindest vorübergehend nicht für zielführend erachtet – zumindest darauf Acht geben, dass er das Bildmaterial nicht für Werbezwecke bzw. zur Gewinnerzielung weiternutzt. Geschieht dies gleichwohl, kann ein Hinweis in der Nähe des Bildnisses darauf, dass der abgebildete Arbeitnehmer nicht mehr beim Arbeitgeber beschäftigt ist, bei einer geringeren Bemessung der Entschädigung hilfreich sein.

Tomislav Santon, LL.M.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Tomislav Santon berät Arbeitgeber schwerpunktmäßig zu Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes, der betrieblichen Mitbestimmung sowie der Vertragsgestaltung, einschließlich Fremdpersonaleinsatz. Darüber hinaus unterstützt er Unternehmen im Rahmen von Umstrukturierungen.
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