Die Grundsätze der rechtskonformen Betriebsratsvergütung sind schnell erklärt: Betriebsratstätigkeit stellt ein Ehrenamt dar und darf nicht gesondert vergütet werden. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat lediglich Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht, sofern es erforderlicher Betriebsratstätigkeit nachgeht, und ist für diese Zeiträume im Sinne der Lohnfortzahlung so zu stellen, als hätte es uneingeschränkt gearbeitet.
In der Praxis stellt sich die rechtskonforme Vergütung jedoch nicht ganz so einfach dar. Denn im Einzelfall mag man trefflich darüber streiten, in welchem Umfang Lohn allein aufgrund von Betriebsratstätigkeit entfallen ist. Ist der Arbeitgeber in diesen Fällen gegenüber dem Betriebsrat zu großzügig, setzt er sich dem Vorwurf der Begünstigung aus. Ist er umgekehrt zu streng, benachteiligt er den Betriebsrat. Beide Verhaltensweisen sind compliance-relevant – wir zeigen, wo die Grenze verläuft.
Das unentgeltliche Ehrenamt
Der Gesetzgeber hat das Betriebsratsamt aus gutem Grund als unentgeltliches Ehrenamt ausgestaltet. Er wollte damit eine unparteiische und unabhängige Amtsführung und die innere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder sicherstellen. Aus diesem Grund hält auch die Rechtsprechung den Zweck des Amtes sehr hoch und übt eine strenge Auslegung und Handhabung der relevanten Normen. Besonderes Gewicht liegt auf der Verbotsnorm sowie dem Straftatbestand der §§ 78, 119 BetrVG.
Auf dieser Grundlage steht fest, dass jede besondere Vergütung für die Betriebsratstätigkeit selbst verboten ist. Ein Betriebsrat darf weder unmittelbar noch mittelbar für seine Amtstätigkeit vergütet werden. Das in der Praxis immer wieder vorgebrachte Argument, ein Betriebsrat, insbesondere ein Betriebsrats- oder gar Konzernbetriebsratsvorsitzender, müsse „auf Augenhöhe agieren“, wenn er mit Arbeitgebervertretern am Tisch sitze, und müsse daher auch entsprechend entlohnt werden, vermag über den Begünstigungstatbestand nicht hinwegzuhelfen.
Einzelfälle unzulässiger Betriebsratsvergütung
Eine unzulässige Begünstigung liegt immer dann vor, wenn für Betriebsratsmitglieder Sonderregeln aufgestellt werden, die zusätzliches Entgelt für die Betriebsratstätigkeit darstellen:
- Sitzungsgelder
- Zulagen oder Zuschläge für vielfache Gremientätigkeiten (Teilnahme im BR sowie GBR und KBR)
- Sonderurlaub für Betriebsratsmitglieder
- Gewährung von Dienstwagen zur Privatnutzung aufgrund der Betriebsratstätigkeit
- Gewährung von Vertragsverlängerungen zur Umsetzung weiterer Betriebsratstätigkeit
- Sonderschulungen, die in keinem Zusammenhang zu den betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben stehen
- Sonderkassen für Betriebsratsfeiern
- u.v.m.
Die Grundsätze der Lohnfortzahlung
Selbstverständlich soll ein Betriebsrat aufgrund seines Einsatzes aber auch keine Nachteile erleiden. Dies bedeutet, dass einem Betriebsratsmitglied dasjenige Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, das er ohne die Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit erhalten hätte (Lohnausfallprinzip). In der Zeit, in dem erforderliche Betriebsratstätigkeit ausgeführt wird, ist das Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien.Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern, indem es ihm die Befürchtung nimmt, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden.
Das Lohnausfallprinzip gilt nicht nur für das ausgefallene Grundentgelt, sondern bezieht auch Überstundenvergütungen, Sachleistungen und sonstige Zulagen mit ein, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die ansonsten zu erbringende Arbeitsleistung schuldete. Es kommt bei der Beurteilung des Lohnfortzahlungsanspruchs nicht darauf an, ob der jeweilige Lohnbestandteil regelmäßig anfällt. Entscheidend ist allein, dass er bei hypothetischer Betrachtung während der Zeit der Arbeitsbefreiung zugunsten des Betriebsratsmitglieds angefallen wäre (BAG, Urteil vom 18. Mai 2016 – 7 AZR 401/14).
Die Lohnfortzahlung umfasst daher auch leistungsbezogene Entgeltbestandteile, wie Boni, Provisionen oder Prämien. Eine feine Grenze ist dort zu ziehen, wo dem Arbeitnehmer keine im Synallagma stehende Vergütung zukommt, sondern er für einen konkreten Mehraufwand entschädigt wird. Entfällt dieser Mehraufwand während einer Betriebsratstätigkeit, etwa bei einer Schmutzzulage zur Entschädigung für die Kosten der Reinigung von Arbeitskleidung, steht dem Betriebsrat keine Aufwandsentschädigung mehr zu.
Leistungsorientierte Vergütungsbestandteile
Die klaren Umsetzungsregeln stoßen dann an ihre Grenzen, wenn es um leistungsorientierte Vergütungsbestandteile oder Sonderzahlungen geht, die nur in Einzelfällen und unter besonderen individuellen Leistungsmerkmalen gewährt werden. Denn in diesen Fällen muss der hypothetische Leistungsverlauf bei tatsächlicher Arbeitsleistung interessengerecht nachvollzogen werden.
Die Rechtsprechung folgt insoweit dem Ansatz, dass jeweils diejenige Methode zu wählen ist, die dem Lohnausfallprinzip am besten gerecht wird. Dabei sind die Besonderheiten des jeweiligen Vergütungsbestandteils zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 29. April 2015 – 7 AZR 123/13). In Einzelfällen kann bei schwankenden Bezügen sogar eine Schätzung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO vorzunehmen sein (BAG, a.a.O).
Dies bedeutet im Regelfall, dass die individuellen Leistungen während der Arbeitsperioden auf die Zeiträume der Betriebsratstätigkeit „hochzurechnen“ sind. Sollte eine solche Umrechnung zu kurz greifen, wird man weitere für die Leistungsbemessung ggf. relevante Kriterien angemessen zu berücksichtigen haben, um eine unzulässige Benachteiligung, aber auch eine unzulässige Begünstigung auszuschließen.
Können die Zeiträume der Arbeitsleistung die hypothetische Zielerfüllung bei Vollarbeitsleistung allerdings nicht hinreichend gut abbilden, z.B. aufgrund nur noch sehr geringer Arbeitsleistung, sind andere angemessene Bewertungsmethoden heranzuziehen. So ließe sich bei ansonsten gleichbleibenden Umständen auf Zeiträume vor Antritt des Betriebsratsamtes oder aber auch auf durchschnittliche Zielerreichungen vergleichbarer Arbeitnehmer abstellen (LAG Hamm, Urteil vom 17. Februar 2012 – 10 Sa 1479/11; VGH München vom 24. November 2008 – 14 ZB 06.2447).
Praxistipp
Es bietet sich an, die Grundsätze der Lohnfortzahlung bei leistungsorientierten Vergütungsbestandteilen in einer Regelungsabrede festzuhalten. Die angemessene Berechnungsmethode kann so in einem Diskurs mit dem Betriebsrat vor einer Diskussion über Einzelfälle gefunden und abstrakt festgehalten werden, um auch eine Gleichbehandlung sicherzustellen. Auf diese Weise erlangen die Betriebsparteien Rechtssicherheit und können zugleich dem Vorwurf einer intransparenten Praxis verbeugen.