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Entweder du arbeitest oder du fliegst! – Kündigung wegen behördlich angeordneter Quarantäne ist sittenwidrig

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Ordnet das Gesundheitsamt eine häusliche Quarantäne zunächst nur mündlich an und der Arbeitgeber bezweifelt die tatsächliche Existenz einer solchen, kann er nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln weder aufgrund der Anordnung an sich noch wegen des Fehlens eines schriftlichen Nachweises kündigen. Dies gilt auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes.

Auf die Anordnung einer häuslichen Quarantäne aufgrund des Kontakts mit einer Corona-positiv getesteten Person würde jeder Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer gerne verzichten. Dies gilt umso mehr, wenn die Anordnung des Gesundheitsamtes gegenüber dem Arbeitnehmer zunächst nur mündlich erfolgt und der Arbeitgeber ihr Vorliegen bezweifelt. Ist der Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der mündlichen Quarantäneanordnung nicht zur Arbeit erscheint? Diese Frage beantwortet das Arbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 15.4.2021.

Worum geht es in der Entscheidung?

Der Kläger ist als Dachdecker in einem Kleinbetrieb tätig. Aufgrund eines Kontakts mit einer Corona-positiv getesteten Person ordnete das Gesundheitsamt gegenüber dem Kläger zunächst telefonisch eine häusliche Quarantäne an. Dies teilte der Kläger seinem Arbeitgeber mit. Dieser bezweifelte jedoch, dass eine solche Quarantäneanordnung tatsächlich existierte und verlangte einen schriftlichen Nachweis des Gesundheitsamtes. Der Versuch des Klägers, einen solchen unverzüglich vom Gesundheitsamt zu erhalten, blieb erfolglos. Nachdem der Kläger aufgrund der mündlich angeordneten Quarantäne nicht zur Arbeit erschienen war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.

Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes

Der Kläger erfüllte noch nicht die Wartezeit des § 1 Abs.1 KSchG und war in einem sog. Kleinbeitrieb (Betrieb unter zehn Mitarbeitern) tätig, sodass das Kündigungsschutzgesetz gemäß § 23 KSchG keine Anwendung fand. Die Wirksamkeit der Kündigung richtete sich somit nicht nach § 1 KSchG. Nach der ständigen Rechtsprechung, der auch das Arbeitsgericht Köln folgt, findet eine Kündigung stattdessen ihre Grenzen in den zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB.

Die Entscheidung: Sittenwidrigkeit der Kündigung

Hierauf stützt das Arbeitsgericht Köln die Unwirksamkeit der Kündigung. Demnach ist eine Kündigung unter anderem dann unwirksam, wenn sie willkürlich erfolgt ist oder auf sachfremden Motiven beruht. Beides nimmt das Arbeitsgericht Köln für den vorliegenden Fall an. Der Arbeitgeber habe den Arbeitnehmer vor die Wahl gestellt: Entweder er verstoße gegen die Quarantäneanordnung oder er verliere seinen Arbeitsplatz. Dieser Umstand sei von der Rechtsordnung nicht hinzunehmen. Den Arbeitnehmer in eine derartige Drucksituation zu bringen –  die für den Arbeitnehmer sogar strafrechtliche Konsequenzen (§ 75 IfSG) haben könnte – sei sittenwidrig. Erschwerend komme hinzu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang ausdrücklich aufgefordert hatte, die Quarantäneanordnung zu missachten, um seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Dass eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes noch nicht vorlag, hätte der Arbeitgeber hinnehmen müssen. Der Arbeitnehmer habe schließlich keinen Einfluss darauf, wann er eine solche erhalten würde. Darüber hinaus weist das Arbeitsgericht auf die beiderseitige Belastung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber hin und gelangt zu dem Ergebnis, dass der Schutz des Arbeitnehmers schwerer wiegt: Während sich der Arbeitnehmer durch die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit einer persönlichen Belastung ausgesetzt sehe, sei es dem Arbeitgeber durchaus zuzumuten, auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zu verzichten. Es handle sich um eine ähnliche Konstellation wie im Falle einer kurzfristigen Erkrankung. Bei einer behördlich angeordneten Quarantäne sei der Arbeitgeber sogar besser gestellt, da er die Möglichkeit einer vollständigen Erstattung der ausgezahlten Vergütung gemäß § 56 Abs. 5 S.3 IfSG habe. Der Arbeitnehmer hätte hingegen ein zusätzliches „Sonderopfer“ zu befürchten, wenn dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Kündigung eingeräumt werde.

Als Ergebnis dieser Abwägung stellt das Arbeitsgericht fest, dass eine Kündigung außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, die unmittelbar aufgrund einer Quarantäneanordnung erfolge, regelmäßig als sittenwidrig einzuordnen sei.

Fazit

Auch wenn die – noch nicht rechtskräftige – Entscheidung einen Einzelfall außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes betrifft, stellt sie doch Grundlegendes im Zusammenhang mit coronabedingten Anordnungen dar. Wie so oft in der Pandemie müssen Unsicherheiten durch gegenseitige Rücksichtnahme gelöst werden.

Die Entscheidung konkretisiert dieses Rücksichtnahmegebot: Der Arbeitgeber habe auf die Mitteilung des Arbeitnehmers, es läge eine mündlich erteilte Quarantäneanordnung vor, zunächst zu vertrauen. Dem ist zuzustimmen. Schließlich bleibt dem Arbeitnehmer nichts anderes übrig als auf einen schriftlichen Nachweis des Gesundheitsamtes zu warten. Anders als im Krankheitsfall erhält der Arbeitnehmer nicht sofort ein ärztliches Attest oder kann sich ein solches „besorgen“, um seiner Nachweispflicht aus § 5 EntgFG nachzukommen. An dieser Stelle ist somit auf beiden Seiten Geduld gefragt.

Beabsichtig der Arbeitgeber während des Zeitraums der Quarantäne die Kündigung eines Arbeitnehmers, für den das Kündigungsschutzgesetz (noch) nicht gilt, ist Vorsicht geboten. Es sollte tunlichst vermieden werden, die Kündigung in einen Zusammenhang mit der Quarantäneanordnung zu bringen. Hierdurch kann der Arbeitgeber den Verdacht verhindern, die Kündigung sei wegen der Quarantäneanordnung erfolgt und aus diesem Grund als sittenwidrig zu bewerten.

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