Ab dem Zeitpunkt, ab dem Elternzeit verlangt worden ist, und während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen (§ 18 Abs. 1 S. 1, 3 BEEG). Ein Arbeitnehmer in Elternzeit ist also grundsätzlich unkündbar; weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund oder eine Änderungskündigung können wirksam ausgesprochen werden. Hiervon schafft aber § 18 Abs. 1 S. 4 BEEG eine Ausnahme: Mit behördlicher Zustimmung ist eine Kündigung auch in der Elternzeit möglich.
Kündigung in der Elternzeit mit behördlicher Zustimmung
Gemäß § 18 Abs. 1 S. 4, 5 BEEG kann in „besonderen Fällen“ „ausnahmsweise“ eine Kündigung während der Elternzeit von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde (oder der von ihr bestimmten Stelle) für zulässig erklärt werden.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber einen Ausgleich zur Unkündbarkeit des Arbeitnehmers während der Elternzeit geschaffen: Grundsätzlich muss der Arbeitgeber mit einer beabsichtigten Kündigung nämlich bis zum Ende der Elternzeit, folglich bis zu 39,5 Monate – bei mehreren Kindern ggf. sogar länger – zuwarten. Denn pro Kind besteht ein Anspruch auf 36 Monate Elternzeit (§ 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BEEG) und währenddessen der besagte Sonderkündigungsschutz. Der Sonderkündigungsschutz setzt zudem bereits bis zu 8 bis 14 Wochen vor Beginn der Elternzeit ein (§ 18 Abs. 1 S. 1, 2 BEEG). Dies erschwert jede Restrukturierungsplanung erheblich und nimmt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, einem Arbeitnehmer zu kündigen, mit dem ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.
Jedoch kann aufgrund der Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1, S. 4, 5 BEEG dann eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer in Elternzeit ausgesprochen werden, wenn vorher erfolgreich die Zustimmung der zuständigen Behörde – z.B. in Berlin dem LAGetSi, in München dem Gewerbeaufsichtsamt Oberbayern – eingeholt wurde.
Voraussetzungen der behördlichen Zustimmung
Die Voraussetzungen dafür, ob ein besonderer Fall vorliegt und die Kündigung in der Elternzeit ausnahmsweise für zulässig erklärt werden kann, richten sich maßgeblich nach den Bestimmungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit (§ 18 Abs. 1 S. 4 BEEG) vom 03.01.2007.
Vorliegen eines besonderen Falles
Grundsätzlich wird das Arbeitnehmerinteresse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in der Elternzeit als vorrangig gegenüber Arbeitgeberinteressen angesehen. Jedoch liegt dann ein besonderer Fall vor, wenn „außergewöhnliche Umstände“ eintreten, aufgrund derer es gerechtfertigt erscheint, dass das Arbeitnehmerinteresse hinter den Interessen des Arbeitgebers zurücktritt (Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift).
In folgenden Fallkonstellationen hat die Behörde nach Nr. 2 der Verwaltungsvorschrift vom Vorliegen eines besonderen Falles auszugehen:
- Stilllegung oder Verlagerung eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung und Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen oder Ablehnung der zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch den Arbeitnehmer (Nr. 2.1.1 – 2.1.4),
- Gefährdung der Existenz des Betriebes oder der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitgebers durch Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nach Ende der Elternzeit (Nr. 2.1.5) oder unbillige Erschwerung der wirtschaftlichen Existenz, sodass der Arbeitgeber in die Nähe der Existenzgefährdung kommt (Nr. 2.2),
- besonders schwere Verstöße des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten, die dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen (Nr. 2.1.6),
- vorsätzliche strafbare Handlungen des Arbeitnehmers, die dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen (Nr. 2.1.6).
Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine abschließende Aufstellung („insbesondere“), sodass auch andere Konstellationen besonderer Fälle unter „außergewöhnlichen Umständen“ denkbar sind.
Ermessen: ausnahmsweise Zulässigkeitserklärung
Wenn ein besonderer Fall vorliegt, entscheidet die Behörde im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens, ob das Arbeitgeberinteresse an einer Kündigung während der Elternzeit so erheblich überwiegt, dass ausnahmsweise die beabsichtigte Kündigung für zulässig zu erklären ist (Nr. 3 der Verwaltungsvorschrift).
Diese zweite Voraussetzung der Zulässigkeitserklärung erschwert die Abschätzung der Erfolgschancen eines Antrags auf Zulässigkeitserklärung. Als Richtwert kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Vorliegen eines „besonderen Falles“ der in Nr. 2 der Verwaltungsvorschrift genannten Fallgruppen die Erfolgschancen einer Zulässigkeitserklärung erheblich erhöhen dürfte.
Praktische Erwägungen zur Antragstellung
Der Antrag auf Zulässigkeitserklärung muss schriftlich gestellt werden (Nr. 4 der Verwaltungsvorschrift); hierfür stellen die zuständigen Behörden online Formulare bereit, für Berlin z.B. hier. Dieser muss ferner auch – unter Beifügung oder Benennung etwaiger Beweismittel – begründet werden (Nr. 4 der Verwaltungsvorschrift).
Zwar hat die Behörde ihre Entscheidung über die Zulässigkeitserklärung unverzüglich zu treffen (Nr. 5.1 der Verwaltungsvorschrift), jedoch kann die Bearbeitungsdauer mehrere Monate in Anspruch nehmen. Ggf. sollte daher bei der Behörde die voraussichtliche Dauer eines Zulässigkeitserklärungsverfahrens erfragt werden.
Falls sich Mutterschutz und Elternzeit überschneiden oder sich eine Arbeitnehmerin bereits in Mutterschutz befindet und ihr Antrag auf Elternzeit zu erwarten ist, kann und sollte der Antrag auf Zulässigkeitserklärung der Kündigung im Mutterschutz gem. § 17 Abs. 2 S. 1 MuSchG gleichzeitig – in der Regel in demselben Formular – mit dem Antrag gem. § 18 Abs. 1 S. 4 BEEG verbunden werden.
Die Behörde hört vor ihrer Entscheidung sowohl den betroffenen Arbeitnehmer als auch den Betriebs- oder Personalrat zu dem Antrag an (Ziff. 5.2 der Verwaltungsvorschrift). Der Arbeitgeber kann anschließend jedoch hierzu regelmäßig noch einmal Stellung nehmen und sich so mit den gegen die Kündigung vorgebrachten Einwänden auseinandersetzen.