Zu Beginn des corona-bedingten „Lockdown’s“ flüchteten sich viele Arbeitgeber in die Kurzarbeit. Dem lag die Hoffnung zugrunde, dass sich der Beschäftigungsbedarf nur vorübergehend verringern und nach einiger Zeit wieder das vorherige Niveau erreichen würde. In diesem Sinne dient das arbeitsrechtliche Instrument der Kurzarbeit der Überbrückung von Krisensituationen zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und Sicherung von Arbeitsplätzen.
Mittlerweile ziehen einige Unternehmen jedoch trotz Kurzarbeit die nunmehr anschließende Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Betracht. Zum Teil werden Kündigungen notgedrungen erforderlich, da sich der Arbeitsanfall oder die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht in ausreichendem Maße wie gehofft erholt. In anderen Fällen hat die Krisensituation auf beschleunigtem Wege zu internen Reorganisationen geführt, wodurch es Unternehmen gelungen ist, den Arbeitsanfall effizienter zu bewältigen – dies kann in Konsequenz jedoch zum Wegfall zuvor benötigter Arbeitsplätze führen.
Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen während Kurzarbeit
In unserem Beitrag vom 2. April 2020 haben wir das Verhältnis von Kurzarbeit und betriebsbedingter Beendigungskündigung bereits angeschnitten:
Während bei der Einführung von Kurzarbeit ein nur vorübergehender Arbeitsausfall angenommen wird, bedarf es für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung unter anderem der Prognose eines dauerhaften Beschäftigungsentfalls. Die Situation im Unternehmen muss sich nach der Einführung der Kurzarbeit also verändert haben: Neben den Ursachen für die Kurzarbeit müssen weitere, neue Gründe hinzugekommen sein. Dies können beispielsweise interne Umstrukturierungen sein (wie dauerhafte Schließung/Zusammenlegung von Abteilungen, Digitalisierung von Prozessen, Fremdvergabe bestimmter Arbeiten), aber auch ein langfristiger Wegfall von Aufträgen oder Großkunden sowie ähnlichen – sich erst jetzt abzeichnenden – Unternehmenseinbußen. Dies sollte der entlassende Arbeitgeber im Streitfall mit konkreten Tatsachen oder Zahlen nachvollziehbar belegen können, um das durch Kurzarbeit bedingte Indiz des „nur vorübergehenden Beschäftigungswegfalls“ widerlegen zu können.
Sofern die Hürde der wirksamen Kündigung genommen ist, stellen sich Folgefragen:
Bei gekündigten Arbeitnehmern entfällt grundsätzlich ab Zugang der Kündigung eine persönliche Voraussetzung für den Bezug von staatlichem Kurzarbeitergeld („KUG“) und die Agentur für Arbeit stellt die Zahlungen für den gekündigten Mitarbeiter ein (§ 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Etwas Anderes kann allenfalls bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer gelten. Außerdem können im Einzelfall Rückforderungsbegehren der Agentur für Arbeit für zuvor gewährtes KUG drohen.
Bezahlung des gekündigten Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist – durch wen und in welcher Höhe?
Bei Verlust der staatlichen KUG-Gewährung lebt das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers für die Bezahlung des Arbeitnehmers wieder auf. Fraglich ist die Höhe: Hat der Arbeitnehmer weiterhin nur den reduzierten Vergütungsanteil plus KUG zu erwarten (bzw. bei vollumfänglicher „Kurzarbeit Null“ sogar nur das KUG), oder entsteht automatisch wieder ein Anspruch auf reguläre 100 % Gehalt gegenüber dem Arbeitgeber?
Prinzipiell ändert der Entzug von KUG durch die Agentur für Arbeit nichts an der tarif-/einzelvertraglich oder per Betriebsvereinbarung vereinbarten Reduzierung der Arbeitszeit und dem damit einhergehenden Verdienstausfall. Der Arbeitnehmer bleibt bis auf Weiteres also nur noch zur verringerten Arbeitsleistung verpflichtet (oder bei „Kurzarbeit Null“ entfällt die Arbeitsverpflichtung sogar vollumfänglich) und stellt sich auf entsprechend reduzierte Vergütung ein – sowie regelmäßig im Zuge typischer „Kurzarbeitsvereinbarungen“ auch auf die Zahlung des sozialversicherungsrechtlichen KUG on top. Vergleichbarer Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers und eine Zahlungsverpflichtung bei Entfall persönlicher Voraussetzungen zur Gewährung von KUG auch lediglich auf diese Höhe begrenzt sein sollen. Deshalb können Arbeitnehmer grundsätzlich auch zukünftig nur Bezahlung in Höhe des Betrags verlangen, den sie im Falle der Gewährung von KUG durch die Agentur für Arbeit erhalten hätten. Sie sind somit während des festgelegten Kurzarbeitszeitraums finanziell nicht besserzustellen, als wenn die Agentur für Arbeit weiterhin den staatlichen Beitrag geleistet hätte.
Abweichende Zahlungsverpflichtungen können sich allerdings aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Einzelvereinbarungen mit Arbeitnehmern ergeben. Insbesondere kann die Reduzierung der regulären Arbeitszeit und eine damit einhergehende Gehaltsminderung in Form einer Bedingung an die Gewährung des staatlichen KUG durch die Agentur für Arbeit geknüpft werden. Sofern der staatliche KUG-Bezug enden sollte, würden in so einem Fall die ursprünglichen Vertragsbedingungen wieder aufleben – und damit neben der vollen Arbeitsverpflichtung auch die vorherige 100%ige Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Dies wäre im Einzelfall zu prüfen.
Anreiz zum Abschluss von Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen
Zwar wirken sich Zeiten des Bezugs von KUG grundsätzlich nicht negativ auf einen späteren Anspruch auf Arbeitslosengeld aus. Allerdings betrifft dies nur Zeiten des staatlichen KUG-Bezugs, gezahlt durch die Agentur für Arbeit. Sofern dieser gesetzliche Anspruch entfällt und stattdessen der Arbeitgeber während der Kündigungsfrist nur zur Zahlung der verringerten Vergütung plus KUG verpflichtet ist, drohen gekündigten Arbeitnehmern Einbußen bei einem anschließenden Arbeitslosengeld. Als diesbezügliche Berechnungsgrundlage könnte während des Zeitraums der Kündigungsfrist lediglich die reduzierte Vergütung berücksichtigt werden.
Häufig ist Arbeitgebern daran gelegen, zu entlassenden Arbeitnehmern bereits im Vorfeld anstelle einer Kündigung einen Aufhebungsvertrag schmackhaft zu machen oder nach erfolgter Kündigung eine Abwicklungsvereinbarung zur ordnungsgemäßen Regelung aller potentiell klärungsbedürftigen Angelegenheiten herbeizuführen. Um diese Ziele bei Entlassungen während eines Kurzarbeitszeitraums zu erreichen, könnte der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmern für den Zeitraum der Kündigungsfrist ein Angebot auf Aufstockung der eigentlich nur reduzierten Zahlungsverpflichtung auf 100 % Gehalt unterbreiten. Zwar blieben die Arbeitnehmer in dem Falle weiterhin nur im verringerten Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet (oder bei „Kurzarbeit Null“ auch gar nicht). Dies dürfte angesichts des nahenden Ausscheidens der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen und um „des lieben Frieden willens“ jedoch zu verkraften sein. Um Diskussionen um zukünftige Gleichbehandlungsverlangen anderer Arbeitnehmer zu vermeiden, sollte ein solcher Weg möglichst einheitlich für alle einigungsbereiten Arbeitnehmer gewählt werden.
Fazit
Bei betriebsbedingten Kündigungen während einer Kurzarbeitsphase sind einige Hürden zu umschiffen. Insbesondere die Feststellung der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung nach Ausspruch der Kündigung kann von individuellen Regelungen abhängen und insofern Schwierigkeiten bereiten. Um Streitigkeiten mit zu kündigenden Arbeitnehmern im eigenen Interesse zu vermeiden, steht Arbeitgebern als „Lockmittel“ zum Abschluss einer umfassenden Aufhebungs- oder Abwicklungsvereinbarung vielfach das Angebot einer 100%igen Gehaltszahlung trotz Kurzarbeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung.