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A secret is something you tell one other person – oder doch nicht?

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Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist bald zwei Jahre in Kraft. Hierzu berichteten wir im April 2019 über erste To-dos für Arbeitgeber. Zentrale Bedeutung kam von Anfang an dem Begriff der „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen” zu, die der rechtmäßige Inhaber des Geheimnisses zu ergreifen hatte. Einer aktuellen Entscheidung des OLG Stuttgart (Urteil vom 19.11.2020 – 2 U 575/19) lassen sich jetzt mehrere Ansatzpunkte zur Konkretisierung dieses weichenstellenden Merkmals entnehmen.

Definition des Geschäftsgeheimnisses

Nach § 2 Nr. 1 GeschGehG ist als Geschäftsgeheimnis eine Information anzusehen,

  • die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
  • die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
  • bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Was sind angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen?

Höchstrichterlich ist der Begriff der „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme“ bislang ungeklärt. Eine in der Praxis häufig anzutreffende Fallkonstellation (ehemalige Geschäftsführer und Mitarbeiter gründen ein Konkurrenzunternehmen, das von Anfang an über „bemerkenswertes“ Know-how verfügt) nahm das OLG Stuttgart zum Anlass, um für die Praxis erste wichtige Anhaltspunkte zur Begriffsbestimmung aufzustellen.

Danach ist die Frage, ob der Geheimnisinhaber angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hat, zukünftig nach objektiven Maßstäben zu bemessen. Der Inhaber trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Demgegenüber reichte nach der bisherigen Rechtslage ein erkennbarer subjektiver Geheimhaltungswillen, der in objektiven Umständen lediglich zum Ausdruck kommen musste. Die bisherige Rechtsprechung stellte – ausgehend vom UWG – an diese Manifestation geringe Anforderungen.

Als Mindeststandard sei nach Ansicht des OLG Stuttgart zu fordern, dass relevante Informationen nur solchen Personen anvertraut werden dürfen, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe (potentiell) benötigen und die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Zudem müssen diese Personen von der Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf die fraglichen Informationen Kenntnis haben. Auf den Kreis der Zugriffsberechtigten sollten Unternehmen daher in Zukunft besonders achten. Ein pauschales (bspw. auf Hierarchieebenen) bezogenes Zugänglichmachen von Informationen gehört unter die Lupe genommen.

Einzelfallabhängige Gesamtbetrachtung

Weitere Maßnahmen seien den Umständen nach zu ergreifen, wobei das OLG Stuttgart auf eine Gesamtbetrachtung abstellt. Genauso wie das Ergreifen verschiedener verstärkender Maßnahmen zu einem angemessenen Schutzniveau führen könne, könne nach Ansicht des OLG Stuttgart ein in Kauf genommenes „Datenleck“ zu der Bewertung führen, dass insgesamt kein angemessenes Schutzniveau mehr vorliege. Letzteres könne beispielsweise dann angenommen werden, wenn der Geheimnisinhaber es zulasse, dass Mitarbeiter Dateien ohne Passwortschutz auf privaten Datenträgern abspeichern oder wenn Papierdokumente nicht gegen den Zugriff unbefugter Personen gesichert seien.

Das OLG Stuttgart sah beispielsweise das zugelassene Speichern von Dateien mit Geschäftsgeheimnissen auf privaten Datenträgern als „äußerst kritisch“ an. Insbesondere wenn die Dateien ohne Passwort zugänglich seien, sei ein Zugriff durch Dritte nicht mehr auszuschließen. Dies gelte nicht nur für berechtigte Mitbenutzer, sondern auch im Falle eines Weiterverkaufs der Privatgeräte ohne vorherige ausreichende Löschung. Damit begebe sich der Geheimnisinhaber der effektiven Kontrolle seiner Daten. Soweit es um in Papierform verkörperte Geschäftsgeheimnisse gehe, seien diese gegen den Zugriff unbefugter Personen zu sichern. Die Orte im Unternehmen, an denen die Dokumente verwahrt würden, seien hinreichend gegen den Zutritt unbefugter Personen zu sichern, bei sensiblen Informationen seien die Geheimnisse zu verschließen; ggf. sei auch der Raum abzuschließen.

Mit einem kleinen Paukenschlag verwies das OLG Stuttgart den Rechtsstreit schließlich zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das LG Stuttgart:

 „Nach diesen Maßstäben wird festzustellen sein, ob die Klägerin seit dem Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisses am 26. April 2019 ausreichende Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse ergriffen hat.“

Fazit und Ausblick

Wer als Unternehmer das höhere Schutzniveau des GeschGehG nutzen will, sollte spätestens jetzt die Ärmel hochkrempeln. Untätigkeit kann anderenfalls teuer werden. Geheimnisschutz darf nicht länger nur auf dem Papier existieren. Es bedarf der Errichtung tatsächlicher Zugangshindernisse. Schon vorhandene Strukturen gehören auf den Prüfstand – und sind ggf. weiter auszubauen. Organisatorische Maßnahmen (wie bspw. die Kategorisierung der Informationen und die Abstufung von Zugangsberechtigungen) sollten die rechtlichen und tatsächlichen Umsetzungsschritte idealerweise flankieren. Die Frage nach einem Geheimnisschutzkonzept – einschließlich regelmäßiger Mitarbeiterschulungen – wird zunehmend in den Vordergrund rücken.

Dr. Sebastian Verstege 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Sebastian Verstege legt seinen Fokus in der laufenden arbeitsrechtlichen Begleitung von Unternehmen auf die Betreuung von Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren.
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