Zur Bekämpfung des bis heute bestehenden geschlechterspezifischen Lohngefälles in Unternehmen hat der Gesetzgeber im Jahre 2017 das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) geschaffen, mit dem das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchgesetzt werden soll. Auskunfts- und Zahlungsansprüche gegen Arbeitgeber auf Grundlage dieses Gesetzes waren bisher in der arbeitsrechtlichen Praxis nicht an der Tagesordnung. Die praktische Relevanz des EntgTranspG dürfte sich nach der jüngsten Entscheidung aus Erfurt allerdings deutlich erhöhen: Sofern eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit klagt, so begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist (BAG, Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19 -, PM 1/21).
Hintergrund der Entscheidung
Die Klägerin ist Abteilungsleiterin und erhielt von ihrem Arbeitgeber (Beklagte) im Jahre 2018 eine Auskunft nach §§ 10 EntgTranspG, wonach das Vergleichsentgelt (der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete statistische Median) der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin lag. Mit ihrer Klage forderte die Klägerin Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte.
Zusammenspiel von Auskunftsanspruch und § 22 AGG
Die Vorinstanz kam zu dem Ergebnis, dass die Informationen aus dem Ausgleichsanspruch nicht ausreichen würden, um als Indizien im Sinne des § 22 AGG für eine Benachteiligung „wegen des Geschlechts“ zu gelten. Die insoweit bestehenden Entgeltunterschiede würden nicht automatisch den Schluss zulassen, dass diese Unterschiede auf eine Diskriminierung „wegen des Geschlechts“ zurückzuführen sind.
Die Klägerin zog weiter vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt – mit Erfolg. Das Gericht nahm auf Grundlage des Auskunftsanspruchs an, die Klägerin habe eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der männlichen Vergleichsperson. Dieser Umstand würde zugleich ein Indiz gem. § 22 AGG für eine Benachteiligung „wegen des Geschlechts“ darstellen. Nach § 22 AGG liegt es somit bei der Beklagten, die Vermutung der Diskriminierung „wegen des Geschlechts“ zu widerlegen. Das BAG hat die Sache zurück an die Berufungsinstanz verwiesen, denn es konnte nicht feststellen, ob die Beklagte diese Vermutung den Vorgaben des § 22 AGG entsprechend widerlegt hat.
Ausblick
Es bleibt also abzuwarten, wie es in dem konkreten Fall vor dem Landesarbeitsgericht weitergeht. Dennoch könnte die Entscheidung des BAG eine große Bedeutung für die Praxis haben. Die Frage lautet: Werden zukünftig vermehrt Entgeltgleichheitsklagen von Arbeitnehmer/innen erhoben wegen höherer Vergleichsentgelte der männlichen bzw. weiblichen Kollegen? Auf Grundlage der neusten BAG-Rechtsprechung scheint dieser Weg zumindest einfacher geworden zu sein, denn die (widerlegbare) Vermutung der Diskriminierung im Falle höherer Vergleichsentgelte räumt Darlegungs- und Beweishürden für Arbeitnehmer/innen aus dem Weg. Arbeitgeber sollten sich vor diesem Hintergrund etwaiger „Gender Pay Gaps“ in ihrem Unternehmen bewusst sein und im Zweifel darlegen und beweisen können, dass es sich hierbei nicht um eine Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ handelt.
Mit freundlicher Unterstützung von Rebecca Rautenberg, Wiss. Mit. im Düsseldorfer Büro