Betriebliche Leistungen der Invaliditätsversorgung setzen häufig eine dauerhafte Erwerbsminderung voraus. Insoweit knüpfen Versorgungsregelungen oftmals an sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen an. Wird dabei die Befristung einer gesetzlichen Erwerbsminderungsrente zum Hindernis für den Anspruch auf die betrieblichen Versorgungsleistungen?
Zu den klassischen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zählt neben der Alters- und Hinterbliebenenversorgung auch die Invaliditätsversorgung. In der Praxis begegnet man dabei einer Vielzahl unterschiedlich ausgestalteter Zusageregelungen. Häufig knüpft die Gewährung einer Invaliditätsversorgung an die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen zur Erwerbsminderungsrente an. Zum Streit um die Leistungspflicht kommt es bei einer solchen Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen regelmäßig dann, wenn sich die Gesetzeslage ändert. Auch in seiner Entscheidung vom 13.7.2021 (3 AZR 445/20) hatte sich das BAG mit der Auslegung einer Zusage auf Invaliditätsversorgung zu befassen, die einen Verweis auf sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen enthielt. Gibt es nun ein Stück weit Klarheit für die Invaliditätsversorgung?
Der Streitfall
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte die beklagte Arbeitgeberin dem Kläger im Jahr 2000 eine Zusage über Leistungen der Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversorgung erteilt. Für die Gewährung einer Invalidenrente wurde in der Zusage der Eintritt einer „voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ vorausgesetzt.
Im Jahr 2018 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Gewährung dieser Rente war zunächst auf drei Jahre befristet.
Der Kläger schied bei der Beklagten wegen seiner Erwerbsminderung aus und machte nunmehr einen Anspruch auf die betriebliche Invaliditätsversorgung geltend. Die Zahlung einer Invalidenrente lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, es fehle an der für die Leistungsgewährung vorausgesetzten „voraussichtlich dauernden“ Erwerbsunfähigkeit.
In erster Instanz wurde die Klage auf Gewährung der Invalidenrente abgewiesen. Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 30. Juli 2020 – 4 Sa 123/30) hob diese Entscheidung auf und gab der Klage statt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Mit seiner Entscheidung vom 13.7.2021 (3 AZR 445/20), zu der bislang lediglich die Pressemitteilung veröffentlicht wurde, hat das BAG das Urteil der zweiten Instanz bestätigt.
Befristung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente unschädlich
Der Umstand, dass die Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur befristet gewährt wurde, stand dem Anspruch des Klägers auf die betriebliche Invalidenrente nach Ansicht des BAG nicht entgegen. Soweit die einschlägige Versorgungsordnung eine „voraussichtlich dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ für die Leistungsgewährung erforderte, sah das BAG hierin lediglich einen Verweis auf die Regelungen des SGB VI über die Voraussetzungen einer an die Invalidität anknüpfenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Für die Beurteilung der in der Versorgungszusage vorausgesetzten dauernden Erwerbsunfähigkeit sei es hingegen unerheblich, ob die gesetzliche Erwerbsminderungsrente in Anwendung der (bloßen) Verfahrensvorschriften der §§ 99 ff. SGB VI befristet oder unbefristet gewährt werde.
Die Entscheidung des BAG ist im Ergebnis überzeugend. Die Befristung einer gesetzlichen Rente hat heute nur sehr begrenzt eine Aussagekraft darüber, ob die Erwerbsminderung eines Arbeitnehmers von Dauer oder nur vorübergehender Natur ist.
Nach der zum Zeitpunkt der Zusageerteilung geltenden Gesetzeslage wurden gesetzliche Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Regel noch unbefristet gewährt. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis änderte sich mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000: Mit Wirkung zum 1.1.2001 wurde die Verfahrensregelung des § 102 Abs. 2 SGB VI dahingehend geändert, dass Erwerbsminderungsrenten grundsätzlich befristet werden. Hätte man im Streitfall dieser Kehrtwende in der sozialrechtlichen Gesetzgebung bei der Beurteilung der Leistungspflicht eigenständige Bedeutung beigemessen und die dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit bereits wegen der Befristung der gesetzlichen Rente abgelehnt, wäre die zugesagte Invaliditätsversorgung nur in Ausnahmefällen zu gewähren gewesen. Im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer Erteilung wäre die Zusage der Invaliditätsversorgung bei dieser „Lesart“ nachträglich erheblich entwertet worden.
Fazit
Der vom BAG entschiedene Fall zeigt, welches Streitpotenzial sich aus Versorgungsregelungen ergeben kann, die auf gesetzliche Bestimmungen verweisen. Arbeitgebern ist daher zu raten, die Entwicklung der Gesetzgebung im Blick zu behalten und im Bedarfsfall zur Klarstellung bei den bestehenden Regelungen „nachzusteuern“.