Während die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (vorerst) ausgelaufen sind, erreichen die Arbeitsgerichte in diesem Zusammenhang immer weitere arbeitsrechtliche Fragestellungen. Zwei Gerichte hatten nun über eine etwaige Schadensersatzhaftung des Arbeitgebers wegen behaupteter Verletzungen von Corona-Schutzmaßnahmen zu entscheiden.
Dem ArbG Siegburg lag ein Fall zur Entscheidung vor, in dem die Klägerin nach einer schweren Corona-Infektion Schadensersatz und Schmerzensgeld u.a. für Behandlungskosten und Verdienstausfall von ihrem Arbeitgeber verlangte (ArbG Siegburg vom 30. März 2022 – 3 Ca 1848/21). Das LAG München musste über die Erstattung frustrierter Aufwendungen für eine Hochzeit entscheiden, welche wegen einer Corona-Quarantäne der Braut abgesagt werden musste (LAG München vom 14. Februar 2022 – 4 Sa 457/21).
Keine Haftung des Arbeitgebers nach dem ArbG Siegburg
Im Fall des ArbG Siegburg war die Klägerin bei der Beklagten, der Betreiberin eines Pflegeheims, in der psychosozialen Betreuung als Krankenschwester beschäftigt. Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 arbeitete sie in der Essensausgabe und war Bewohnern des Pflegeheims beim Essen behilflich. Hierbei erhielt sie nach eigenen Angaben von der Beklagten keine Corona-Schutzausrüstung, insbesondere keine Atemschutzmaske. Die Klägerin wurde sodann Anfang April 2020 positiv auf das Corona-Virus getestet und erkrankte in der Folge schwer. Neben der Klägerin infizierten sich auch 12 Bewohner des Pflegeheims mit dem Corona-Virus. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin nun von der Beklagten Ersatz für ihre Behandlungskosten, Verdienstausfall sowie Schmerzensgeld.
Die Klage hatte vor dem ArbG Siegburg keinen Erfolg. Das Gericht hielt die Klage für unbegründet. Tragende Erwägung hierbei war, dass die Klägerin nicht hinreichend darlegen konnte, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten für ihre Corona-Erkrankung ursächlich war. Zwar habe die Klägerin ein ärztliches Attest vorgelegt, wonach sie sich am Arbeitsplatz mit dem Corona-Virus angesteckt haben soll. Allerdings war für das ArbG Siegburg nicht nachvollziehbar, wie die behandelnde Ärztin zu dieser Feststellung und Aussage gekommen ist, da Viren und deren Weg nicht sichtbar sind. Die Klägerin habe sich auch außerhalb des Arbeitsplatzes anstecken können. Es stehe daher nicht mit Sicherheit fest, dass sich die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz mit dem Corona-Virus angesteckt habe.
Stehe aber bereits nicht fest, wann sich die Klägerin bei wem angesteckt habe, lasse sich auch nicht feststellen, ob und inwieweit hierfür die behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten für die Erkrankung der Klägerin ursächlich geworden sind. Auf die Frage des Verschuldens, insbesondere die Frage, ob und inwieweit die Beklagte vorsätzlich gehandelt hat, komme es mithin nicht an. Das Urteil des ArbG Siegburg ist noch nicht rechtkräftig, so dass noch Berufung eingelegt werden kann.
Dagegen: Haftung des Arbeitgebers nach dem LAG München
Im Gegensatz zum ArbG Siegburg erkannte das LAG München einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber wegen Verletzung von Schutz-/Fürsorgepflichten im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion an.
In diesem Fall wurde bei einem erkrankten Geschäftsführer eine Corona-Infektion festgestellt, nachdem er zuvor mit Erkältungssymptomen mit einer Mitarbeiterin zusammen in einem Auto zu zwei geschäftlichen Versammlungen gefahren war, ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Als Kontaktperson musste die Mitarbeiterin daraufhin in Quarantäne und infolgedessen ihre eigene geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier absagen.
Das LAG München sprach der Mitarbeiterin für die gleichwohl angefallenen Kosten ca. EUR 5.000 Schadensersatz zu. Der Arbeitgeber müsse sich die Pflichtverletzung des Geschäftsführers zurechnen lassen, welche auch ursächlich für den entstandenen Schaden gewesen sei. Denn eine Quarantäneanordnung für die Mitarbeiterin hätte es nicht gegeben, wenn der erkrankte Geschäftsführer nicht zur Arbeit erschienen oder aber den Mindestabstand zu ihr eingehalten hätte.
Praxishinweise
Die beiden Entscheidungen belegen exemplarisch die arbeitsrechtlichen Haftungsfragen, die sich im Rahmen der Corona-Pandemie stellen können. Eine Haftung des Arbeitgebers kommt dabei nur in Betracht, wenn die pflichtwidrige Handlung des Arbeitgebers nachweislich ursächlich für den entstandenen Schaden war. Diesen Nachweis zu erbringen, wird für Arbeitnehmer regelmäßig mit Schwierigkeiten verbunden sein, wenn diese eine am Arbeitsplatz erlittene Corona-Erkrankung und sich daraus ergebende Schäden behaupten. Denn ein sicherer Nachweis der Infektionsketten bei Corona-Infektionen fällt schwer. Leichter fällt der Kausalitätsnachweis dagegen, wenn es – wie im Fall des LAG München – um eine Quarantäneanordnung geht, die allein schon wegen des Kontakts zum Arbeitgeber bzw. einer für den Arbeitgeber handelnden Person angeordnet wurde. Denn hier kommt es auf die konkreten Infektionsketten nicht an.
Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich durch die Vorschriften der Unfallversicherung privilegiert wird. So sieht § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vor, dass Arbeitgeber zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur dann verpflichtet sind, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Dagegen betrifft die Haftungsbeschränkung nach § 104 SGB VII nicht sonstige Vermögensschäden, wie etwa die angefallenen Kosten für die abgesagte Hochzeitsfeier im Fall des LAG München.