Ein Mitarbeiter steht im Verdacht, eine Straftat begangen zu haben. Auch wenn der Arbeitgeber selbst nicht Geschädigter ist, kann er deswegen das Arbeitsverhältnis beenden wollen. Oft ist es für ihn jedoch schwierig, den Sachverhalt eigenständig aufzuklären. Hier können die Staatsanwaltschaft und das Akteneinsichtsrecht aus § 475 der Strafprozessordnung (StPO) helfen.
Schon der Verdacht einer Straftat gegen den Mitarbeiter kann ausreichend sein, um das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter (außerordentlich) zu kündigen. Das gilt auch für Straftaten, die nicht zum Nachteil des Arbeitgebers begangen wurden. Entscheidend ist allein, dass sie einen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis haben. In diesen Fällen stellt die Aufklärung des Sachverhalts den Arbeitgeber häufig vor Herausforderungen. Doch Einblicke in die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden können helfen.
Das Akteneinsichtsrecht nach § 475 StPO und sein Anwendungsbereich
Die StPO bietet je nach Fallgestaltung unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Gewährung von Akteneinsicht. Weitgehend bekannt dürfte das Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406e StPO sein. Das gewährt u.a. dem Arbeitgeber das Recht, die Ermittlungsakten einzusehen, wenn die Straftat zu seinem Nachteil begangen wurde.
Das sich aus § 475 StPO ergebende Recht richtet sich dagegen an sonstige Dritte. Es wird für den Arbeitgeber relevant, wenn er durch die Straftat nicht selbst verletzt ist. Denkbar sind Fälle, in denen ein Mitarbeiter im Verdacht steht, eine Straftat zulasten eines anderen Arbeitskollegen oder eines Kunden begangen zu haben.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Durch die Einsicht in die strafrechtlichen Ermittlungsakten werden sensible Daten des Beschuldigten preisgegeben. Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber – so das Gesetz – ein berechtigtes Interesse an der Einsicht darlegen. Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits dann anzunehmen, wenn der Sachverhalt, der im Blickpunkt der Ermittlungen steht, Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und dem Mitarbeiter, der gleichzeitig Beschuldigter ist, hat.
Was sind die Vorteile?
Die Vorteile liegen auf der Hand. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Strafverfolgungsbehörden müssen dem Verdächtigen nachweisen können, dass er die Straftat tatsächlich begangen hat. Mehr noch: Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, einem Straftatverdacht nachzugehen und die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.
In einem möglichen Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitnehmer verhält es sich ähnlich. Der Arbeitgeber trägt die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Umstände, auf die er die Kündigung stützt, zutreffend sind. Der Arbeitgeber kann von der Ermittlungsarbeit der Justiz daher stark profitieren.
Der Blick in die Praxis – was ist zu beachten?
Zunächst – so sieht es § 475 Abs. 1 StPO vor – kann die Einsicht nur über einen Rechtsanwalt und damit nicht durch den Arbeitgeber alleine erfolgen.
- Um möglichst umfassende Informationen zu erlangen, sollte stets ein Antrag auf Einsicht in die gesamte Ermittlungsakte einschließlich etwaiger Beiakten gestellt werden.
- Der Antrag ist nur gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft und nicht – wie vermutet werden könnte – bei der Polizei zu stellen.
Insgesamt …
… wird deutlich: Das Akteneinsichtsrecht nach § 475 StPO kann für den Arbeitgeber ungemein hilfreich sein. Es gewährt dem Arbeitgeber ein Recht, Einsicht in die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten zu nehmen, obwohl er selbst nicht Verletzter der Straftat ist. Er kann sich die Ermittlungsarbeit der Justiz zu eigen machen und für eine Kündigung oder sogar ein bereits laufendes Kündigungsschutzverfahren gezielt einsetzen.