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Internal Investigations – wann kündigen?

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Wird gegen einen Mitarbeiter intern ermittelt und erhärtet sich dann der Verdacht eines Fehlverhaltens, stehen Arbeitgeber oft vor einer schwierigen Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Kündigung? Warum hier früh besser als spät ist, erklären wir in diesem Beitrag.

Ein Unternehmen hat Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitarbeiter sich „nicht sauber“ verhalten hat. Es beginnen unternehmensinterne Aufklärungsmaßnahmen (sog. Internal Investigations). Dabei erhärten sich einzelne Verdachtsmomente. Diese reichen möglicherweise schon für den Ausspruch einer wirksamen außerordentlichen (Verdachts-)Kündigung. Zugleich gibt es guten Grund zur Annahme, dass weiteres Fehlverhalten dieses Mitarbeiters aufgedeckt werden könnte – wenn weiter ermittelt würde. Die Frage: Arbeitsverhältnis schon bei Erhärtung der ersten Verdachtsmomente kündigen oder zunächst noch weiter ermitteln? Die Antwort: Kündigung tendenziell eher früher, ab Erhärtung einzelner Verdachtsmomente, als später aussprechen.

Kündigungserklärungsfrist im Nacken

Der zeitliche Rahmen bei Internal Investigations ist vor allem durch die sog. Kündigungserklärungsfrist geprägt (§ 626 Abs. 2 BGB). Danach muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss der Untersuchung ausgesprochen werden. Diese Frist beginnt bei der Verdachtskündigung mit der einigermaßen sicheren Kenntnis der Tatsachen, die für die Kündigung maßgebend sind, zu laufen. Häufig rügen Vertreter gekündigter Arbeitnehmer, dass diese zeitliche Vorgabe nicht eingehalten worden sei. Das führt zu intensiven Auseinandersetzungen über die mit der Einhaltung dieser Frist zusammenhängenden Fragen: Wann lagen ausreichend belastbare Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten vor? Was musste das Unternehmen mit welcher Geschwindigkeit ermitteln, bevor die Kündigung ausgesprochen wurde? Wann waren die Untersuchungen abgeschlossen?

Angriffsfläche bei den Fristen klein halten

Aus Sicht des Unternehmens sollte eine Auseinandersetzung über diese Punkte nach Möglichkeit vermieden werden. Denn allein die Notwendigkeit, sich diesbezüglich rechtfertigen zu müssen, ist nachteilhaft: Die Wirksamkeit der Kündigung steht auf dem Spiel, was die Verhandlungsposition im Rahmen von Vergleichsgesprächen schwächen kann. Schon um sich klar innerhalb der Kündigungserklärungsfrist zu bewegen und die Angriffsfläche diesbezüglich von vornherein klein zu halten, sollte die Kündigung tendenziell eher früher als später ausgesprochen werden.

Keine Nachteile durch „frühzeitigen“ Kündigungsausspruch

Dies gilt auch deshalb, weil das Unternehmen bei einem „frühzeitigen“ Kündigungsausspruch weiterhin die Möglichkeit hat, spätere Erkenntnisse aus einer Internal Investigation zu verwerten. Neben einem erneuten Ausspruch der Verdachtskündigung bei einer den Verdacht der Tatbegehung verstärkenden Tatsache kommt vor allem das sog. Nachschieben von Kündigungsgründen in Betracht. Dabei kann sich der Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens auch auf solche Umstände berufen, die ihm erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind. Er könnte die Kündigungsgründe sogar völlig auswechseln. Dies hat das Bundesarbeitsgericht jüngst bestätigt (BAG vom 12. Januar 2021 – 2 AZN 724/20).

Den „besseren“ Kündigungsgrund nachschieben

Das heißt: Wenn das Unternehmen im Rahmen einer Internal Investigation nach Ausspruch der Kündigung auf „bessere“ – möglicherweise ganz andere – Kündigungsgründe stößt, kann es diese unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen zur Begründung der Kündigung anführen. Das Unternehmen muss in einem solchen Fall keine erneute Kündigung aussprechen, die einen erneuten Lauf der Kündigungsfrist in Gang setzen würde. Beispiel: Im Rahmen von Ermittlungen erhärtet sich der Verdacht gegen einen Mitarbeiter, dass er Gegenstände unterschlagen haben soll. Das Unternehmen spricht daraufhin die außerordentliche Kündigung aus. Bei den weiteren Ermittlungen stellt sich zufällig heraus, dass der Mitarbeiter Kolleginnen sexuell belästigt haben soll. In dieser Konstellation kann das Unternehmen die bereits ausgesprochene Kündigung mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung begründen, selbst wenn die Kündigung wegen des Vorwurfs der Unterschlagung unwirksam gewesen wäre.

Voraussetzungen für das Nachschieben von Kündigungsgründen

Um die später entdeckten Kündigungsgründe aus den Internal Investigations zur Begründung der Kündigung nachschieben zu können, müssen allerdings folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Die Umstände müssen bereits zum Kündigungszeitpunkt vorgelegen haben; das Fehlverhalten muss also zeitlich vor Ausspruch der Kündigung liegen.
  • Die Geschäftsführung darf erst später, nach Ausspruch der Kündigung, Kenntnis davon erlangt haben. Um das belegen zu können, muss der Ablauf der Internal Investigation ordentlich dokumentiert werden.
  • Wenn ein Betriebsrat besteht, ist dieser nachträglich zu diesen Gründen anzuhören.

Mehr zu dem Thema:

Es ist (fast) nie zu spät – Nachschieben von Kündigungsgründen

Heuer/Rautenberg in: DER BETRIEB 2021, Online-Zusatzbeitrag vom 7. Juni 2021, DB1362997

Dr. Jan Heuer

Rechts­an­walt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Jan Heuer berät deutsche und internationale Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen umfassend in allen Fragen des Arbeitsrechts. Einen Schwerpunkt bilden die Begleitung von Reorganisationen und Restrukturierungen sowie die Vertretung in Arbeitsgerichtsprozessen. Besondere Expertise hat er außerdem im Datenschutzrecht (z. B. DS-GVO-Checks, Abschluss von IT-Betriebsvereinbarungen) und im Bereich arbeitsrechtlicher Compliance (z. B. interne Untersuchungen bei Fehlverhalten von Mitarbeitern, Vermeidung von Scheinselbständigkeit und illegaler Arbeitnehmerüberlassung, Einhaltung Betriebsverfassungsrecht). Jan Heuer ist bei KLIEMT.Arbeitsrecht verantwortlich in den Fokusgruppen "Whistleblowing und interne Untersuchungen" sowie "Digitalisierung und Mitbestimmung".
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