Nun also doch. Nach verlorenen Landtagswahlen, fallenden Umfragewerten und dem jüngsten „Gründonnerstagsdebakel“ rückt die CDU doch noch ab vom „Nein“ zum Betriebsrätestärkungsgesetz. Damit scheint der Weg frei für mehr Mitbestimmung, zunehmende Kosten für Arbeitgeber und leider wenig Impulse für eine echte und längst überfällige Modernisierung und Beschleunigung des Betriebsverfassungsrechts, v.a. in Digitalisierungsfragen.
Betriebsrätestärkungsgesetz, jetzt „verpackt“ als Betriebsrätemodernsierungsgesetz
Bereits kurz vor Weihnachten ließ das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Bombe platzen und legte der Wirtschaft den Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes unter den Weihnachtsbaum (siehe Referentenentwurf vom 21. Dezember 2020). Dies anknüpfend an den bestehenden Koalitionsvertrag, wonach der Koalitionspartner CDU noch die Erleichterung der „Gründung und Wahl von Betriebsräten“ schulde (siehe Seite 51 des Koalitionsvertrages).
Das Kernelement des BMAS-Entwurfs war daher die Erleichterung des Wahlverfahrens. Hinzu kamen die Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes für Wahlinitiatoren, eine erhebliche Ausweitung der Mitbestimmung bei Qualifizierung, künstliche Intelligenz und mobiler Arbeit sowie die pauschale Übernahme von Sachverständigenkosten bei IT-Themen. Alles in allem wenig überzeugende Regelungen, wie wir bereits zusammenfassend resümierten (siehe den Beitrag von Dr. Jan L. Teusch vom 7. Januar 2021).
Das Vorhaben schien sodann vom Tisch, nachdem die CDU das Thema von der Agenda der für den 10. Februar 2021 anberaumten Kabinettssitzung nehmen ließ. Am Mittwoch, den 31. März 2021 (also gestern) flammte es sodann – nahezu unerwartet – wieder auf, indem das Kabinett ihn noch am selben Tag nahezu unverändert als Regierungsentwurf verabschiedete und in den weiteren Gesetzgebungsprozess einbrachte. Eine Synopse zwischen BMAS-Entwurf und dem jetzigen Regierungsentwurf finden Sie hier: Synopse Betriebsrätemodernsierungsgesetz.
Eine verpasste Chance
Es bleibt dabei. Auch der jetzige Regierungsentwurf überzeugt nicht, da mag auch der geänderte Name – jetzt „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ – nicht drüber hinwegtäuschen. Der Entwurf justiert das BetrVG zwar an einigen Stellen richtigerweise nach (z.B. Ermöglichung virtueller Betriebsratsarbeit oder die Verwendung elektronischer Signaturen), verliert sich dann aber vor allem in weitere Überregulierung, in einer unnötigen Ausweitung des Kündigungsschutzes von Wahlinitiatoren sowie in zusätzlichen Kostentreibern für die zukünftige BR-Arbeit (wie der Fiktion der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten, sofern es im Ansatz um künstliche Intelligenz geht).
Insbesondere bedeutet der Entwurf jedoch eins: Eine verpasste Chance, mit Augenmaß eine wirkliche Modernisierung des BetrVG vorzunehmen. Dabei geht es nicht darum, die bewährte Mitbestimmung der Betriebsräte zu schmälern oder abzuschaffen. Mitbestimmung ist richtig und gut. Mitbestimmung darf aber nicht dazu führen, dass sie die betriebliche Praxis lähmt und deutsche Unternehmen im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern ausbremst. Dies gilt insbesondere für die Mitbestimmung bei der Einführung und Änderung „technischer Einrichtungen“ (nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) bzw. die dazu ergangene ausufernde (und weit über den Wortlaut hinausgehende) BAG-Rechtsprechung.
Modernisierung muss § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mit erfassen
Es ist z.B. schlicht nicht vermittelbar, wieso selbst das Benutzen eines Excel-Sheets in der Personalabteilung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (BAG vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18) und weshalb hier eine Streitschlichtung nur über eine langwierige und kostspielige Einigungsstelle Ergebnisse schaffen kann. Hier, z.B., bedarf es einer echten Modernisierung. Z.B. durch klare Leitplanken bei der Mitbestimmung zu Digitalisierungsthemen und eines ausdifferenzierten Schlichtungsmechanismus, wenn es hier einmal hakt. Denn: Muss es hier immer die Einigungsstelle sein, die mit massivem Zeitverzug und Kostenaufwand über die Einführung und Nutzung von einzelnen IT-Tools entscheidet? Und muss hier wirklich jedes Mal das gesamte Gremium mit Details befasst werden? Selbst bei unkritischen Updates, Release-Wechseln etc., die der Arbeitgeber mitunter gar nicht mehr beeinflussen kann? Ganz sicher nicht. Daher bleibt nur ein abschließender Appell: Modernisierung ja, aber bitte ausgewogen und innovativ, wie es auch der Name des Gesetzes für sich beanspruchen will!