open search
close
Arbeitsrecht 4.0 Arbeitsrecht in der Pandemie Kollektivarbeitsrecht Neueste Beiträge

Update zur virtuellen Einigungsstelle: Ab sofort wieder zulässig

Print Friendly, PDF & Email

In Zeiten von Lockdowns und Kontaktbeschränken war die gesetzliche Regelung zur Durchführung virtueller Einigungsstellen ein beliebtes Mittel. Auf Unverständnis stieß die Entscheidung des Gesetzgebers, diese zeitlich befristete Regelung nicht über den 30. Juni 2021 hinaus zu verlängern. Nun hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention erneut die virtuelle Einigungsstelle für zulässig erklärt – zunächst befristet bis 19. März 2022.

Bisherige Situation: Keine virtuelle Einigungsstelle

Im Mai 2020 hatte der Gesetzgeber mit § 129 Abs. 2 BetrVG die Möglichkeit geschaffen, Sitzungen der Einigungsstelle virtuell durchzuführen (d.h. per Video- oder Telefonkonferenz). Es musste lediglich sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen. Eine Aufzeichnung war unzulässig. Diese Regelung war zeitlich bis zum 30. Juni 2021 befristet. In der betrieblichen Praxis war die Hoffnung groß, das im Juni 2021 verabschiedete Betriebsrätemodernisierungsgesetz würde seinem Namen auch im Hinblick auf Einigungsstelle Ehre machen und diese Regelung fortschreiben. Dem kam der Gesetzgeber jedoch nicht nach.

Nach der bis zuletzt geltenden Rechtslage war zwar nach ganz überwiegende Auffassung die virtuelle Durchführung von Terminen mit den Beteiligten der Einigungsstelle zulässig, sofern eine Beschlussfassung der Einigungsstelle nicht erfolgt. Zu Gegenständen der freiwilligen Mitbestimmung oder Verhandlungen vor Entscheidungsreife waren virtuelle Treffen der Einigungsstelle daher weiterhin ein sinnvolles Mittel. Eine Beschlussfassung der Einigungsstelle in virtueller Form hielten wir und der Großteil der juristischen Fachwelt aber für unzulässig und damit anfechtbar.

Neue gesetzliche Regelung

Bisher weitgehend von der arbeitsrechtlichen Praxis unbemerkt hat der Gesetzgeber die virtuelle Einigungsstelle wieder gestattet. Unter dem eingängigen Titel „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“ wird ein neuer § 129 BetrVG geschaffen. In Absatz 2 ist die virtuelle Einigungsstelle geregelt:

(2) Die Teilnahme an Sitzungen der Einigungsstelle sowie die Beschlussfassung können bis zum Ablauf des 19. März 2022 auch mittels einer Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. Die Teilnehmer, die mittels Video- und Telefonkonferenz teilnehmen, bestätigen ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden der Einigungsstelle in Textform.

Die neue Regelung ist bereits am 11. Dezember 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit in Kraft getreten. Ab sofort dürfen Einigungsstellen somit auch in virtuellen Sitzungen Beschlüsse fassen. Wie im Jahr 2020 hat der Gesetzgeber leider (noch) keine dauerhafte Lösung getroffen. Jegliche Beschlussfassung ab dem 20. März 2022 muss nach dem jetzigen Stand wieder in Präsenz stattfinden. Wünschenswert wäre es, wenn die neue Regierungskoalition ihre Absichten im Koalitionsvertrag in die Tat umsetzt, in dem eine selbstbestimmte Entscheidung der Betriebsräte über analoge oder digitale Arbeit vorgesehen ist. Nimmt die Koalition selbst beim Wort, müsste die virtuelle Einigungsstelle auch über den 19. März 2022 hinaus dauerhaft gestattet werden. Dies wäre wünschenswert.

KLIEMT.Arbeitsrecht




Wir sind Deutsch­lands führende Spe­zi­al­kanz­lei für Arbeits­recht (bereits vier Mal vom JUVE-Handbuch als „Kanzlei des Jahres für Arbeitsrecht“ ausgezeichnet). Rund 90 erst­klas­sige Arbeits­rechts­exper­ten beraten Sie bundesweit von unseren Büros in Düs­sel­dorf, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg aus. Kompetent, persönlich und mit Blick für das Wesent­li­che. Schnell und effektiv sind wir auch bei komplexen und grenz­über­schrei­ten­den Projekten: Als einziges deutsches Mitglied von Ius Laboris, der weltweiten Allianz der führenden Arbeitsrechtskanzleien bieten wir eine erstklassige globale Rechtsberatung in allen HR-relevanten Bereichen.
Verwandte Beiträge
Individualarbeitsrecht Kollektivarbeitsrecht Neueste Beiträge Restrukturierung

Wir ziehen um! Zieht ihr mit? – Herausforderungen von Standortwechseln des Arbeitgebers

Das neue Bürogebäude ist fast fertiggestellt. Die Umzugskisten im alten Bürogebäude werden bereits gepackt. Was kann jetzt noch schiefgehen? Ein Umzug stellt auch für Arbeitgeber stets den Beginn eines neuen Abschnitts dar. Wir zeigen auf, woran Arbeitgeber denken sollten, damit auch möglichst alle Arbeitnehmer mitziehen. Verschiedene Gründe bewegen Arbeitgeber zu einem Standortwechsel. So können große Restrukturierungen oder auch nur das bloße Auslaufen des Bürogebäudemietvertrags einen…
Internationales Arbeitsrecht Neueste Beiträge Unternehmensführung

Europäischer Betriebsrat – Auswirkungen des Änderungsvorschlags zur EBR-Richtlinie auf länderübergreifend tätige Unternehmen

Am 24. Januar 2024 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2009/38/EG über Europäische Betriebsräte (EBR-Richtlinie) vorgelegt. Wird dieser Vorschlag umgesetzt, könnte in rund 350 bisher privilegierten länderübergreifend tätigen Unternehmen(sgruppen) erstmalig ein Europäischer Betriebsrat (EBR) errichtet werden. Zudem würden die Rechte bestehender EBR gestärkt und erweitert. Länderübergreifend tätige Unternehmen(sgruppen) sollten sich bereits jetzt mit den Folgen einer Umsetzung des Änderungsvorschlags beschäftigen. Hintergründe…
Kollektivarbeitsrecht Neueste Beiträge Prozessrecht Restrukturierung

Betriebsabgrenzung statt Wahlanfechtung: Halbzeit zwischen Betriebsratswahl 2022 und 2026 richtig nutzen

Ist der Betriebsrat erst einmal gewählt, bleibt Arbeitgebern nur noch die Anfechtung der Wahl übrig. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens ist faktisch eine mehrjährige Amtszeit eines (ggf. rechtswidrig) gewählten Betriebsrats vorprogrammiert. Der risikobewusste Arbeitgeber sollte bis dahin den Betriebsrat beteiligen und Kosten für Einigungsstellen, Schulungen, Freistellungen für Betriebsratsarbeit etc. einkalkulieren. Arbeitgeber können jedoch vorausschauend unklare Betriebsstrukturen gerichtlich klären lassen und bei zügigem Handeln noch…
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert